Die Ankunft
ich irgendetwas noch trage ich Parfüm.«
Er ließ mein Handgelenk los und nickte. Dann sagte er: » Nein.«
» Nein?«
» Ich will keine Schlaftabletten. Das hattest du mich vorhin gefragt.«
Ich nickte langsam. » Oh. Na gut. Aber Dalton, wenn du keine nimmst …«
» Ich weiß«, erwiderte er und fuhr sich mit der Hand über sein stoppeliges rotes Haar. » Aber das macht mir nichts aus, Emily. Und ich weiß auch nicht, warum es dir etwas ausmacht. In den Geschichten, die du mir erzählt hast, klingt es, als würdest du knallhart … wenn du dich verwandelst, meine ich …«
Ich dachte an das letzte Mal, als ich mich verwandelt hatte. An die Angst einflößenden Bilder des Killerwissenschaftlers. An den Geruch des Todes, an den Geschmack von Blut. Doch es stimmte: Nachts, wenn ich sie war – ob es sich dabei nun um eine Seite von mir handelte oder um was auch immer –, wenn ich die Nächtliche Emily war, scherte ich mich um nichts von all dem. Ich war furchtlos. Die Nacht gehörte mir. Eine Nacht, in der mich die Schattenmänner inzwischen finden konnten, während ich schlief, in der ich unvorbereitet und einfach nur normal war. So wie letzte Nacht.
Dalton rückte wieder näher und flüsterte mir aufgeregt ins Ohr: » Geh nicht schlafen, Emily. Verwandle dich mit mir. Zeig mir, wie ich es richtig mache. Ich will nicht einfach ins Bett gehen und schlafen, wenn ich weiß, dass ich so viel mehr sein kann als ich normalerweise bin.«
Ich schluckte und warf vom Autofenster aus einen Blick auf mein finsteres Schlafzimmerfenster. Ich konnte beinahe schwören, dass sich hinter den Vorhängen eine Schattengestalt bewegte. Jeder normale Mensch hätte das auf die Nerven und den posttraumatischen Stress und so schieben können. Ich lebte jedoch inzwischen in meiner eigenen durchgedrehten TV -Serie. Es fühlte sich an, als ob alles und jedes, was sich irgendjemand in seinem verrückten Gehirn ausmalen konnte, geschehen konnte und wahrscheinlich auch würde. Die Schlaftabletten und Spencer beschwichtigten mich. Aber nur eine Zeit lang. All die Ängste waren da, direkt unter der Oberfläche, egal, was ich tat. Es war zum Ausrasten. Abgesehen davon wollte ich nicht, dass der frisch verwandelte Dalton alleine durch die Straßen streifte und in Schwierigkeiten geriet. Vielleicht konnte ich es für einen Abend, einen einzigen Abend, noch einmal geschehen lassen. Mir selbst erlauben, furchtlos, verrückt und sorglos zu sein. Ich würde es nicht zu weit gehen lassen. Die Nächtliche Emily und ich hatten uns diesbezüglich geeinigt, nicht wahr? In jener Nacht, als ich hinter Emily Cookes Mörder her gewesen war?
Ja, das haben wir. Die Stimme in meinem Kopf. Hör auf dich selbst. Hör auf mich. Gemeinsam werden wir wieder fantastisch sein. Du weißt, dass wir das können.
Ich erwiderte Daltons aufgeregten, abwartenden Blick und sagte zu ihm: » Einverstanden. Tun wir es.«
7
Ich bin Beifahrerin
Ich ließ Dalton in seinem Wagen zurück und rannte ins Haus. Hielt kurz an, um meinen Dad zu umarmen, der am Schreibtisch über seinem Computerspiel saß, versicherte ihm, dass ich bei Dalton zu Hause gegessen hatte, obwohl das nicht stimmte, erzählte meiner Stiefmutter, dass mein Schultag gut verlaufen wäre, als sie sich danach erkundigte, und eilte dann so locker wie möglich nach oben in mein Zimmer. Ich setzte mich kerzengerade ans Bettende und zog mir schließlich dieselbe schwarze Schlafanzughose und denselben schwarzen Rollkragenpullover an, die ich in der Nacht getragen hatte, als Spencer und ich Dr. Elliott in einem finsteren Garten gegenübertraten. Ich zupfte an der Stelle meines Hosenbeins herum, die ich amateurhaft zuzunähen versucht hatte, nachdem ich ein paar Nächte zuvor an der Stelle mit einem gezackten Jagdmesser verletzt worden war. Abgesehen von dieser Narbe im schwarzen Garn und der Tatsache, dass der Rollkragenpullover an den seltsamsten Stellen ausgeleiert war, weil ich ihn bei der Verwandlung in eine Wölfin getragen hatte, deutete nichts auf irgendwelche Kampfspuren hin. Die Blut-und Grasflecken waren alle verschwunden. Ich lief nicht gerne in diesen Sachen umher, doch dachte ich mir, wenn ich die Verwandlung schon zulassen würde, sollte ich vielleicht das Beste daraus machen und gut getarnt sein. Und BioZenith eventuell noch einmal ausspionieren. In Schwarz wäre das leichter. Ich atmete ruhig durch und schloss die Augen, um das verschwommene, helle Zimmer auszublenden. Wartete. Mein Wecker hatte auf
Weitere Kostenlose Bücher