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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Sampson
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der kalte Wind, der mich umfing, wirkte erfrischend. Diesen Teil meines nächtlichen Selbst hatte ich beinahe vergessen – die geschärften Sinne und das Empfinden, dass die Welt pulsierte. Im Gegensatz dazu fühlte sich mein Tagsüber-Dasein wie benommen an. Nicht, dass sie – also ich – bei Tag den Unterschied gespürt hätte, der doch damit ausgefüllt war, sich ständig über alles Sorgen zu machen.
    Dalton stellte die Musik wieder lauter, wenn auch nicht mehr so laut wie zuvor, und ich hörte, wie er mit der Handfläche im Takt auf das Lenkrad schlug, während er das Auto dorthin fuhr, wo immer er mich auch hinbrachte. Ich blinzelte ihn mit einem geöffneten Auge an. Er fuhr mit halbgeschlossenen Augen und zuckte mit dem Kopf auf und ab, als würde er bei einem Konzert in der ersten Reihe stehen. Ich hatte gedacht, ich hätte jede Menge Energie, doch der Nächtliche Dalton kam mir vor, als hätte er einen gefriergetrockneten Energydrink oder etwas Ähnliches eingesogen. Ich lächelte und ließ den Kopf wieder aus dem offenen Fenster hängen. Durch meine geschlossenen Augenlider nahm ich aufblitzende Scheinwerfer wahr, und das Brummen von Autos sowie der Klang von Stimmen drangen zu mir herüber. Der Wagen wurde langsamer, und als ich die Augen aufmachte, sah ich, dass wir in eine Straße mit leer stehenden, gewerblich aussehenden Gebäuden eingebogen waren, an deren kahlen Fenstern Schilder von Immobilienfirmen befestigt waren. Vermutlich hatten die Firmen wegen der schlechten Wirtschaftslage kapituliert. Ich erkannte die Gegend wieder. Sie gehörte zu dem Geschäftsviertel im Norden Skopamishs – demselben Viertel also, in dem sich auch BioZenith befand.
    Geh hin und sieh dir den Laden an, flüsterte eine weit entfernte Stimme in meinem Kopf . Wo du doch schon mal hier bist.
    Blitzschnell setzte ich mich aufrecht hin. Die Tagsüber-Emily sprach mit mir? Das war unmöglich. Oder? Sie … ich … hatte das noch nie zuvor getan. Obwohl ich mich entfernt daran erinnerte, dass ich mich in jener Nacht, als ich Gunther Elliott seine Abreibung verpasste hatte, so gefühlt hatte, als wären wir zu ein und derselben Person geworden, zumindest eine Zeit lang. Das bedeutete jedoch nicht, dass ich sie ständig in meiner Nähe haben wollte. In den letzten Tagen hatte ich natürlich mit meinem Tagsüber-Ich gesprochen. Zumindest dachte sie das. Ich war mir nicht mehr sicher, wer was gesagt oder gedacht hatte.
    Sieh dir den Laden an, beharrte Tagsüber-Emily.
    » Entspann dich«, murmelte ich zu mir selbst. » Heute Nacht werden wir uns amüsieren. Das hast du bitter nötig, und das weißt du auch.«
    Die Stimme, falls sie überhaupt existierte, erwiderte nichts.
    Gut.
    Der Wagen blieb stehen, und Dalton hielt einen Knopf gedrückt, um sein Fenster herunterzulassen. Er schaltete die Stereoanlage aus, lehnte sich aus dem Fenster und winkte ein paar Typen heran, die von einem hochgewachsenen Jungen angeführt wurden, den ich nicht kannte. Er war breitschulterig, mit unverhältnismäßig dünnen Beinen, und steckte in einem Bodybuilder-Muskelshirt. Er trug einen Militärhaarschnitt und rauchte eine Zigarette.
    » Yo, Dalton!« Der Typ schnippte seine Zigarette weg und klatschte Daltons Hand ab, als er beim Autofenster angelangt war. Dalton begrüßte ihn mit hochgerecktem Kinn. Sein linkes Bein zappelte unruhig.
    » Wie geht’s, Scott«, sagte er.
    » Wie immer, Kumpel. Wir bereiten uns auf das Rennen vor. Willst du zuschauen?«
    Dalton lachte. » Nein, ich will verdammt noch mal mitfahren!«
    Einer der Typen, die hinter Bodybuilder-Scott standen, lachte. » Mit einem tatterigen alten Lexus? Machst du Witze?«
    Scott schaute über Daltons Schoß hinweg und rief zurück: » Der hat sogar Automatik.« In diesem Moment bemerkte er mich.
    Ich zog eine Augenbraue hoch und lächelte zynisch, als er mich taxierte.
    » Hallo auch.«
    » Auch hallo«, sagte ich. » Ich bin Emily.«
    » Tja, jedenfalls bist du definitiv nicht Nikki«, erwiderte Scott. Er grinste, sah Dalton an und schüttelte den Kopf. » Mann, wenn du gerade dabei bist, dir ein anderes Mädchen aufzureißen, willst du dich dann wirklich blamieren, indem du beim Autorennen gegen mich antrittst?«
    Dalton nickte. » Ich bin nicht der Einzige, der sich hier blamieren wird.«
    Scott holte ein Päckchen Zigaretten heraus, schlug es gegen seine Handfläche und steckte sich eine in den Mund. Sein Gesicht flackerte orangefarben auf, als er sich die Zigarette anzündete.

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