Die Antikriegs-Maschine
daß sie ihm direkt oder indirekt widersprechen würde, aber sie sagte nur: »Du solltest nicht soviel trinken.
Das bekommt dir nicht.«
»Es bekommt mir besser als manches andere.«
Sie sah zu ihm hinüber und sprach zögernd. »Ich habe den Eindruck, daß… daß dich das alles wirklich verletzt hat, Lucas, und das überrascht mich. Wußtest du denn nicht, worauf du dich eingelassen hast?«
Hutchman starrte seine Frau an. Er hatte sie stets am meisten geliebt, wenn sie freundliche, vertraute Kleidungsstücke wie jetzt trug. Im Licht der Stehlampe war ihr Gesicht ernst und schön; es besaß die Kraft, ihn wieder zu heilen. Aber er dachte an den ersten Stapel Briefumschläge, die jetzt bereits unterwegs waren, ohne daß jemand sie zurückhalten konnte.
»Scher dich zum Teufel!« sagte er heiser und verließ rasch den Raum.
Am nächsten Morgen fuhr Hutchman in aller Frühe nach Osten in Richtung Maidstone und gab ein weiteres Paket Briefe auf. Das Wetter war sonnig und verhältnismäßig warm. Als er nach Hause zurückkam, frühstückten Vicky und David erst. Der Junge aß Haferflocken und versuchte gleichzeitig, Rechenaufgaben zu lösen.
»Warum machst du am Sonntagmorgen Hausaufgaben?« fragte Hutchman.
David zuckte mit den Schultern. »Die Lehrerin kann mich eben nicht leiden.«
»Das stimmt nicht, David«, warf Vicky ein.
»Warum gibt sie mir dann mehr Aufgaben als den anderen?«
»Um dir zu helfen!« Vicky warf Hutchman einen bittenden Blick zu. Er zog Davids Heft zu sich heran, schrieb die Lösungen der restlichen Aufgaben hinein und gab David das Heft zurück.
»Danke, Dad.« David starrte ihn verblüfft an und rannte dann jubelnd aus der Küche.
»Warum hast du das getan?« Vicky schenkte Hutchman eine Tasse Kaffee ein. »Du hast immer gesagt, damit sei ihm nicht geholfen.«
»Früher hätte man glauben können, wir seien unsterblich.«
»Was soll das heißen?«
»Vielleicht haben wir nicht. mehr genug Zeit, alles langsam und ordentlich zu tun.«
Vickys Hand lag an ihrer Kehle. »Ich habe dich beobachtet, Lucas. Du benimmst dich nicht wie ein Mann, der…« Sie seufzte. »Was würdest du sagen, wenn ich dir erkläre, daß ich dir im eigentlichen Sinn des Wortes nicht untreu gewesen bin.«
»Ich würde sagen, was ich schon oft von dir gehört habe – daß ein in Gedanken verübter Ehebruch so schlimm wie ein wirklicher ist.«
»Und wenn ich selbst vor dem Gedanken daran zurückgeschreckt wäre und nur…«
»Was hast du mit mir vor?« fragte er heiser und drückte die Fingerknöchel seiner rechten Hand gegen die Lippen, damit sie nicht zitterten. Gerate ich nach allem, was bisher geschehen ist, etwas ins Wanken? dachte er ängstlich. Kann die Herrin ihren Homunkulus im Säurebad auflösen und nach Belieben wiedererschaffen?
»Lucas, bist du mir untreu gewesen?« Ihr Gesicht war das einer Priesterin.
»Nein.«
»Was war also los?«
Hutchman, der mit der Kaffeetasse in der Hand am Tisch stand, spürte seine Knie langsam nachgeben. In seinem Gehirn ging eine beängstigende Veränderung vor. Wozu brauche ich die Maschine eigentlich? Wichtig ist doch nur, daß die Informationen verbreitet werden. Schon die weltweite Kenntnis der Grundlagen einer Antibomben-Maschine macht den Besitz von Kernwaffen zu riskant. Ich müßte nur dafür sorgen, daß…
Er merkte, daß das Telefon klingelte, Vicky wollte aufstehen, aber er winkte ab, eilte selbst in die Diele hinaus und nahm den Hörer ab.
»Hutchman.«
»Guten Morgen, Lucas.« Die Frauenstimme schien aus einem anderen Leben zu kommen; sie war dem Hutchman, der er an diesem hellen Sonntagmorgen war, völlig fremd. Er mußte angestrengt nachdenken, um die Anruferin als Andrea Knight zu identifizieren.
»Hallo«, sagte er unsicher. »Ich dachte, du wärst schon in Gatwick.«
»Ich wollte ursprünglich schon früher abfliegen, aber ich nehme jetzt eine spätere Maschine.«
»Oh!« Hutchman versuchte zu erraten, warum sie ihn angerufen hatte. Aus Schadenfreude? Um seine Stimmung zu verschlechtern, indem sie vorgab, ihn aufheitern zu wollen.
»Lucas, ich möchte heute mit dir reden. Kannst du in meine Wohnung kommen?«
»Tut mir leid«, wehrte er ab, »ich halte es für wenig sinnvoll…«
»Es handelt sich um den Brief, den du mir mitgeben wolltest.«
»Ja?« Er hatte plötzlich Atemschwierigkeiten.
»Ich habe ihn geöffnet.«
»Was hast du getan?«
»Mir ist eingefallen, daß ich eigentlich wissen müßte, was ich da nach Moskau mitnehme.
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