Die Antikriegs-Maschine
eingefallen war, besser als der tagelang ausgearbeitete sein sollte. Andererseits stand fest, daß es richtig war, dafür zu sorgen, daß zumindest ein Umschlag sicher nach Moskau gelangte.
Am Westrand von Aldershot bog er von der Straße nach Bath nach Süden ab und erreichte wenig später Salisbury, wo er einen Stoß Umschläge aufgab. Erst als er schon fast wieder in Crymchurch war, wurde ihm klar, was die Übergabe seiner Beschreibung der Antikriegs-Maschine an die Post Ihrer Majestät bedeutete. Bis zu diesem Augenblick hatte er noch die Möglichkeit gehabt, sich zurückzuziehen und in ein geordnetes, normales Leben zurückzukehren.
Der erste unwiderrufliche Schritt war getan.
7
Andrea Knight kam langsam in die Bar. Ihre schwarze Mähne lag auf dem Kragen ihres Wildledermantels; ihre Umhängetasche hatte lange Fransen, die fast den Boden streiften. Hutchman, der etwas zu früh gekommen war, beobachtete sie, als sie den Raum durchquerte. Er fragte sich, was die männlichen Gäste dazu brachte, ihre Gespräche zu unterbrechen und ihr schweigend nachzustarren. Weckten Andrea Knights nonchalantes Auftreten und ihr hellrosa Schmollmund bestimmte Vorstellungen in ihnen? Das archetypische Straßenmädchen? Er gab den Versuch einer Analyse auf, als sie an seinen Tisch trat, sich setzte und wortlos ihren Mantel von den Schultern gleiten ließ.
»Guten Abend«, sagte er rasch. »Ich freue mich, daß Sie kommen konnten.«
»Hallo, Lucas. Mein Gott, das erinnert mich an längst vergangene Zeiten.«
»Ja, natürlich«, murmelte er und fragte sich, was sie damit meinte.
»Allerdings! Wissen Sie eigentlich, daß das Pack Horse abgerissen worden ist, weil dort eine Autobahn gebaut wird?«
»Nein.« Hutchmans Unbehagen wuchs.
»Wir waren natürlich nur einmal dort.« Sie lächelte bedauernd.
Hutchman erwiderte ihr Lächeln, obwohl er das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Das Pack Horse war ein Pub, in dem er als Student Stammgast gewesen war, und er konnte sich undeutlich. daran erinnern, gelegentlich mit Mädchen dort gewesen zu sein – bis er Vicky kennengelernt hatte –, aber Andrea hatte bestimmt nicht zu ihnen gehört. Andererseits mußte er sie dorthin eingeladen haben, denn wie kam sie sonst auf dieses Lokal? Hutchman begriff, daß seine Jahre mit Vicky sogar seine Denkweise beeinflußt hatten. (Es hatte ein Jahr lang ständig Streit gegeben, bis er gelernt hatte, seine Aktentasche stets vorn auf den Beifahrersitz zu legen, wenn er abends nach Hause fuhr. Vicky, die ihn wie ein Habicht aus dem Küchenfenster beobachtete, nahm Automatisch an, er habe einen Mitfahrer gehabt, wenn sie sah, daß er die Tasche vom Rücksitz nahm. Und an Tagen, an denen er tatsächlich jemanden mitgenommen hatte, ohne etwas davon zu erwähnen, spann sie ein Netz aus Fragen und Verdächtigungen, das unweigerlich zu mitternächtlichen Auseinandersetzungen führte. Er hatte auch gelernt, die Erinnerung an andere Frauen zu verdrängen.
Ein neuer Gedanke: Kann es sein, daß der monogame, sexuell etwas unterkühlte Mann, der ich zu sein glaube, gar nicht der richtige Lucas Hutchman ist? Bin ich ein Geschöpf Vickys? Und wieviel von meinem Rachefeldzug beruht auf Zufall und wieviel auf unbewußter Motivation? Ich habe Andrea im Jeavons Institute gesehen, als ich an der Maschine gearbeitet habe. Ich habe in den .1.-Mitteilungen eine Notiz über sie gelesen, und das Unterbewußtsein vergißt angeblich nichts. Auch keine Details wie die Daten ihrer Moskaureise. Großer Gott, kann es sein, kann es wirklich sein, daß der Termin für die Aktivierung meiner geheiligten Megaleben-Maschine so festgesetzt worden ist, daß er mich an diesem Abend an diesem Tisch mit dieser Frau zusammenführen mußte?
»… ziemlich durstig nach dem langen Weg«, sagte Andrea eben. »Mein Wagen ist zur Reparatur in der Werkstatt.«
»Oh, entschuldigen Sie.« Er winkte den Ober heran. »Was möchten Sie trinken?«
Sie bestellte einen Kognak und nippte zufrieden daran. »Eine Frau mit meinen sozialistischen Überzeugungen hat kein Recht, so teures Zeug zu trinken, aber ich scheine einen kapitalistischen Gaumen zu haben.«
»Ah, da fällt mir etwas ein.« Er zog den Brief aus der Innentasche seiner Jacke und gab ihn ihr. »Er ist schon adressiert, aber Sie müßten ihn noch frankieren. Würden Sie das für mich tun?«
»Selbstverständlich.« Sie ließ den Umschlag in ihre Handtasche fallen, ohne ihn anzusehen. Hutchman war froh, daß sie
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