Die Antwort ist Ja
gänzlich aus der Fassung.
Sie drehte sich um, wusste aber bereits, dass es nur Alisons Bruder sein konnte.
Er hielt in jeder Hand einen Bierkrug, die er sich beide an die Brust drückte, um nichts zu verschütten. April sah zu ihm hoch. Selbst in diesem schummrigen Licht leuchteten seine Augen noch intensiv blau. Sie spürte eine Art Aufregung in sich aufsteigen. “Stereo-Trinker?”
Er beugte sich zu ihr herunter, womit er ihr noch näher kam, ohne einen Schritt machen zu müssen. “Nein, eins ist für Sie.”
“Für mich?”
Jimmy nickte. “Ich habe Sie hereinkommen sehen, ich und jeder andere Mann hier.” Sein Lächeln hätte jede Frau dahinschmelzen lassen. “Ich dachte, Sie möchten vielleicht etwas trinken.”
April hatte Bier eigentlich noch nie wirklich gemocht, aber es wäre unhöflich gewesen abzulehnen. Sie nahm das Bier und wunderte sich, dass er keine Anstalten machte, sich mit ihr zu entfernen, sondern einfach in der Menge stehen blieb.
“Danke”, murmelte sie.
“Also”, begann Jimmy, indem er mit ihr anstieß, “warum sind Sie so hochnäsig?”
Sie schob das Kinn vor wie immer, wenn sie zur Verteidigung überging. “Ich bin nicht hochnäsig.”
Er verspürte plötzlich das Verlangen, an diesem Kinn zu knabbern, hielt sich aber zurück. Diese Frau war nur mit Glacéhandschuhen anzufassen.
“Sind Sie doch”, entgegnete Jimmy. “Genau jetzt ist schon wieder dieser hochnäsige Blick in Ihren Augen, wenn Sie die Menschen hier angucken.” Er schaute sie noch einen Augenblick prüfend an, bevor er einen Schluck trank.
“Sind Sie zum ersten Mal wieder im ‚Salty’?”
Es fiel ihr auf, dass er redete, als wäre er ein Einheimischer, obwohl das völlig albern war. Ein Mann wie Dr. James Quintano würde es nie länger als ein paar Wochen an solch einem Ort aushalten, wenn überhaupt. Er war einer dieser Typen, die ihre regelmäßige Portion Aufregung im Leben brauchten. Die einzigen Aufregungen, die Hades zu bieten hatte, waren Naturkatastrophen oder Feuersbrünste.
“Ja”, sagte sie schließlich, da er immer noch auf eine Antwort zu warten schien.
Jimmy nahm einen weiteren langen Schluck, bei dem er sie nicht aus den Augen ließ. Es gefiel ihm, wie die Brust in ihrer karierten Bluse sich bei jedem Atemzug hob und senkte. “Luc sagte, Sie sind sieben Jahre weg gewesen.”
“Sechs Jahre”, verbesserte sie ihn. Sie war überrascht, dass Luc ihre Abwesenheit überhaupt bemerkt hatte. Sie war so sang-und klanglos gegangen, wie sie wiedergekommen war. „Im Moment kommt es mir jedoch eher wie sechs Tage vor”, dachte sie laut, während sie in die Runde schaute.
“Das ist immer so, wenn man nach Hause kommt”, bemerkte er.
April bekam einen Stoß von hinten. Sie wurde auf Jimmy geschoben, und eine hellbraune Welle schwappte aus ihrem Bierkrug über ihn. Amüsiert und auch etwas verlegen sah sie sich die Bescherung an. “Tut mir Leid.”
Jimmy wischte sich ein paar Tropfen vom Hemd, aber der war schon in den dicken blauen Stoff eingezogen und hin terließ einen großen Fleck auf seiner Brust.
Er hingegen zuckte nur lächelnd die Schultern. “Nichts passiert.“ Er schaute auf das Gedränge hinter ihr. Man hatte den Eindruck, als wäre es jedem Bewohner von Hades und Umgebung irgendwie gelungen, sich in diesen Saloon zu quetschen.
„Aber wir sollten vielleicht etwas zur Seite gehen.” Er legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie in einen anderen Teil des Raums, der nicht ganz so voll war.
April schaute sich nach ihrer Familie um, aber Max und June waren verschwunden. Nur Gran saß noch mit Yuri in der Ecke. Als sie mit ihr Augenkontakt bekam, lächelte die alte Dame und nickte.
Sie kannte diesen zustimmenden Blick. Damit war Gran immer großzügig umgegangen, aber dieses Mal irrte sie sich. Darum schüttelte sie heftig den Kopf, bevor sie wieder wegsah. Jimmy hatte diesen Kontakt genau beobachtet.
“Ist das Ihre Großmutter?”
April trank einen Schluck, bevor sie antwortete. Sie wusste nicht, warum, aber sie wünschte sich in diesem Augenblick Verstärkung. „Ja, das ist Gran.”
Er hörte eine gewisse Zuneigung in ihrer Stimme mitschwingen, obwohl sie sich große Mühe gab, einen unbeteiligten Eindruck zu machen. “Luc hat mir von ihr erzählt. Sie muss eine wundervolle Frau sein.”
„Das kann man wohl sagen.” April wandte sich dem Mann der offensichtlich entschlossen war, an ihrer Seite zu bleiben. “Sie scheinen sehr viel aus Jean-Luc
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