Die Apothekerin
einmal entfuhr ihr ein »Sie sind ja verrückt«. Das hat mich amüsiert; ich möchte sie gern ein bißchen provozieren, die alte Schrulle. In aller Ausführlichkeit erzählte ich von Levin.
Als ich mich mit ihm anfreundete, glaubte ich anfangs, meine Retterphase sei vorbei. Ich hatte einen ganz normalen Freund, der zwar ein paar Jahre jünger war als ich und noch studierte, aber bei dem alles nach einer bürgerlichen Existenz aussah. Im geheimen dachte ich an Heirat, an Kinder, aber nie hätte ich von mir aus solche Pläne geäußert. Einem jungen Mann muß man Zeit lassen.
Levin hatte es nicht immer leicht gehabt, aber er wurde deswegen nicht gleich kriminell, fing weder zu fixen, zu saufen noch zu huren an. Er litt darunter, daß seine Mutter gleich nach dem plötzlichen Tod des Vaters mit einem neuen Mann nach Wien gezogen war. Nicht weit von Heidelberg, keine halbe Stunde von uns entfernt, wohnte ein zählebiger und übellauniger Großvater, der den einzigen Enkel hauptsächlich für Botendienste, zum Heckenschneiden und als Chauffeur einsetzte. Ich hatte Levin bezeichnenderweise kennengelernt, als ich ein gebrauchtes Auto kaufen wollte.
Autos haben für mich den Stellenwert einer Waschmaschine. Außer dem Preis und der Zahl der gefahrenen Kilometer interessiert mich nur die Farbe - sie soll dezent sein.
Als ich mich auf dem Hof des Autohändlers umsah, schlich auch ein baumlanger junger Mann herum und las die Angebote, die auf Pappschildern hinter den Vorderscheiben klemmten. Ich beachtete ihn nicht weiter, sondern suchte auskunftheischend nach einem Verkäufer.
»Das wär’ doch was«, sagte der junge Mann und deutete auf ein Kabrio.
Ich schüttelte den Kopf.
»Sind Sie schon einmal in einem offenen Wagen gefahren?« fragte er. »Und haben sich den Wind um Ihre hübsche Nase wehen lassen?«
Ich sah ihn erschrocken an.
»Was hat man Ihnen für Ihren alten Wagen geboten?« fragte er.
»Zweitausend«, sagte ich und ärgerte mich.
Als wir gemeinsam den Laden betraten, ließ ich ihn machen. Leider schäme ich mich beim Handeln. Levin feilschte wie ein Pferdehändler. Vom Ergebnis war ich beeindruckt, aber eigentlich wollte ich diesen unseriösen Wagen nicht.
Ganz gegen meinen Willen saß ich schließlich bei der Probefahrt auf dem Beifahrersitz, Levin fuhr, und der Verkäufer schrie mir vom Rücksitz aus die Vorzüge des Wagens in die Ohren.
»Warum tragen Sie Ihre blonden Haare so kurz?« fragte Levin. »Es müßte doch herrlich sein, wenn sie flattern…«
»Kaufen Sie doch selbst das Kabrio, wenn es Ihnen so gefällt. Und lassen Sie Ihre eigenen blonden Haare flattern …«
»Für uns Studenten bleibt das ein Traum.«
Deswegen also die schäbige Fliegerjacke aus dem Secondhandshop. Armer Junge.
Nach zwei Stunden stand das zu rote Kabrio vor meiner Wohnung, und ich hatte einen Ratenkaufvertrag unterschrieben.
In den nächsten Tagen nagte der Verdacht ah mir, daß Levin heimlich für den Autohändler arbeitete - beim Pferdehandel werden ja alle Tricks angewendet. Aber ich irrte mich.
An einem Sonntagmorgen suchte mich der lange Laban heim. »Bei diesem herrlichen Wetter…«, begann er.
Ich erklärte, daß ich an meiner Doktorarbeit sitze, deswegen nur halbtags in einer Apotheke arbeite und eigentlich auch das Wochenende zum Schreiben brauche, um endlich fertig zu werden.
Levin saß am Steuer. Er hatte mir eine Sonnenbrille als Geschenk mitgebracht, ein Modell vom Flohmarkt, mit der ich wie ein Star aus den sechziger Jahren aussähe. Man kann mir zwar nachsagen, daß ich ein gutes Herz habe und ein Kumpel bin - doch Komplimente über meine äußere Erscheinung nehme ich mit Vorsicht zur Kenntnis.
Wie sich herausstellte, war Levin jedoch kein Schmeichler. Er besaß die positive Eigenschaft, sich wie ein Kind zu begeistern. »So einen schönen Garten habe ich noch nie gesehen!« erklärte er, als er nach unserer Ausfahrt meine Wohnung inspizierte. Dabei war mein Balkon nicht anders als tausend andere, die man an eine Zweizimmer-Neubauwohnung geklebt hat. Allerdings bin ich eine große Blumenfreundin: In Kästen rankte gelbe, rote und orange Kapuzinerkresse, in Töpfen blühten Rosen, Geranien und sogar Lilien, die Eisenstäbe waren von rosa und weißen Wicken zierlich umschlungen.
Um ihn noch ein wenig bei mir zu haben, wollte ich ihm einen abgerissenen Knopf annähen.
Das könne er selbst machen, »Ungeschicklichkeit wäre eine schlechte Voraussetzung für einen Zahnarzt«.
Ich fragte verwundert, warum
Weitere Kostenlose Bücher