Die Apothekerin
getäfelten Decken, die Einbauschränke, Gardinen, Teppiche und Betten brannten in allen Stockwerken, die Treppe hatte sich in einen Höllenschlund verwandelt. Nachbarn versammelten sich auf der Straße und sahen mit mir, wie sich leuchtende Fetzen aus dem grellen Haus leicht wie Seifenblasen erhoben und in die Glut zurückstürzten. »Wunderschön«, sagte Lene.
Falls Alma in der Mansarde sei, sagten die Feuerwehrmänner, die von der großen Drehleiter aus hineinzugelangen versuchten, sei sie kaum mehr zu retten.
Pawel stand unter Schock.
Unter der großen Tanne sah Levin die phosphoreszierenden Katzenaugen funkeln. Er wollte das verängstigte Tier auf den Arm nehmen und fand Alma. Sie hatte eine Rauchvergiftung und Brandverletzungen am ganzen Körper, war aber bei Bewußtsein. Pawel hielt sie ganz still im Arm. Die Feuerwehrleute forderten per Funk einen Rettungswagen an.
»Ich wollte mich umbringen«, sagte Alma.
Sie wurde nach Oggersheim in die Klinik gebracht, Lene und ich gingen zu Dorit, Pawel fuhr mit seinem Sohn zu einem befreundeten Kollegen. Wo Levin in jener Nacht blieb, weiß ich bis heute nicht. Mein Haus brannte restlos ab, es war nicht mehr zu retten. In der Mansarde war Benzin verschüttet worden.
Vielleicht werde ich es mit der Zeit verschmerzen, und vielleicht wird auch die Erinnerung an die Zwischenfälle, die sich in diesem Haus ereigneten, verblassen.
Später hörten wir von Alma selbst, daß sie nach ihrem nächtlichen Auftritt im Wintergarten hinauf zu den Männern ging, um sich zu verabschieden. Sie tranken gemeinsam eine Flasche Slibowitz. Levin machte ihr weis, daß mein Kind von Pawel sei.
Von meinem Vermögen und dem Geld der Feuerversicherung kaufte ich später ein Haus im Weinheimer Nibelungenviertel, wo Pawel und ich mit Kolja, Lene, Niklas und Tamerlan angenehm und ganz bürgerlich leben. Wie tausend andere Mütter reiße ich beim Füttern meines Kindes selbst den Mund auf, schere Koljas Wolle (die wie die seines Vaters zur Struppigkeit neigt) und lecke morgens die Marmeladenkleckse von Lenes Händchen ab. Für meine Doktorarbeit werde ich kaum jemals mehr Zeit haben. Gelegentlich erhalte ich eine Postkarte aus Norddeutschland, wo Levin und Dieter einen Handel mit gebrauchten Autos betreiben. Das Startkapital habe ich ihnen vorgestreckt.
»Wer ist denn nun der Vater vom kleinen Niklas?« fragt
Rosemarie.
»Ich weiß es nicht und will es gar nicht wissen. Wichtig ist
nur, daß Pawel der Vater von Mariechen ist.«
»Also fertig?« fragt Rosemarie, »Ende gut, alles gut?« »Wie man’s nimmt. Für meine Eltern bin ich unten durch,
denn sowohl Pawel als auch ich sind weiterhin verheiratet, nur
leider nicht miteinander.«
Rosemarie sagt nichts. Ist sie überhaupt bei der Sache? In
einer Stunde kommt ein Taxi und bringt sie heim. Vorher will
sie noch hier essen, damit sie es zu Hause einsparen kann, wie
ich annehme.
Unser Mittagessen wird gebracht, und sie späht neugierig
unter die Haube: Es gibt - wie bereits schon dreimal -
Königsberger Klopse mit Kapernsauce. Ich stochere darin
herum, ein bißchen mehr Salz, ein Lorbeerblatt und einige
Tropfen Zitronensaft wären nötig, um das zu ertragen. Rosemarie hat als Nichtköchin im allgemeinen wenig am
faden Krankenfraß auszusetzen, aber sie mag keine Kapern. Akribisch entfernt sie jene dunklen Kügelchen aus Sauce und
Fleisch und fegt sie mit der Gabel an den Tellerrand. »Sicher ist das Erbe deines Großvaters auch verbrannt?«
fragt sie. Anscheinend hat sie besser aufgepaßt, als mir lieb ist. »Die Grundmauern meiner Villa blieben stehen. Als Niklas
gesund und problemlos geboren war, habe ich eines Tages eine
Razzia im ehemaligen Keller gemacht und verschiedene
wertlose Dinge evakuiert, unter anderem auch einen gewissen
Blumentopf.«
»Hervorragend, Hella, dann verschaffe ich meinem
Patenkind einen legitimen Vater…«
Von Patenschaft habe ich nicht gesprochen. Was will sie? »Kannst du dich von Levin scheiden lassen?«
»Schon, er ist nicht scharf auf das zweite Kuckucksei; aber
was nützt es? Pawel hat Skrupel, die kranke Alma zu
verlassen.«
»Um Alma geht’s ja. Sieh mal, sie liebt doch unsere PfefferStreichwurst«, gedankenverloren schiebt Rosemarie die
Kapern durch den soßigen Teller. »Ich hätte da ein
Kochrezept: Mett aus der Pelle drücken, zwei Gewürzkörner
ganz am Ende der Wurst durch Gift im Pfeffermantel ersetzen,
Farce wieder einfüllen…«
Mir bleibt der Klops im Halse stecken.
Unbeirrt und mit Leidenschaft
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