Die Aquitaine-Verschwoerung
fünf Uhr nachmittags. Wenn er Mattilon noch erreichen wollte, ehe der Anwalt sein Büro verlieÃ, musste er sich beeilen. Wenn René Zeit hatte, mit ihm einen Drink zu sich zu nehmen, wäre das ein guter Anfang. Mattilon war entweder sein Mann, oder er war es nicht, und die Vorstellung, auch nur eine Stunde zu vergeuden, lieà ihn unruhig werden. Er griff nach dem Pariser Telefonbuch, das auf einem Regal unter dem Nachttisch lag, auf dem das Telefon stand, und suchte die Nummer der Kanzlei heraus.
» Du groÃer Gott, Joel!«, meldete sich der Franzose. » Ich habe von dieser schrecklichen Geschichte in Genf gelesen; es stand in der Morgenzeitung. Ich habe versucht, dich anzurufenâ Le Richemond, natürlichâ, aber die sagten, du seist ausgezogen. Ist mit dir alles in Ordnung?«
» Alles. Ich war zufällig in der Nähe, mehr nicht.«
» Er war Amerikaner. Hast du ihn gekannt?«
» Nur als Verhandlungspartner. Ãbrigens, dieser Unsinn, dass er etwas mit Rauschgift zu tun gehabt hätte, war eben dasâ Unsinn. Man hat ihn überfallen, beraubt und dann für Verwirrung bei der Autopsie gesorgt.«
» Und schon stürzt sich ein übereifriger Beamter darauf und versucht, das Image seiner Stadt zu retten. Ich weià schon; das stand auch in dem Artikel. Das ist alles so schrecklich. Verbrechen, Morde, Terrorismusâ überall. Gott sei Dank ist es hier in Paris noch nicht so schlimm.«
» Ihr braucht hier auch keine StraÃenräuber, dafür habt ihr ja eure Taxifahrer. Bloà dass die noch widerwärtiger sind.«
» Du bist unmöglich, mein Freund, so wie immer! Wann können wir uns treffen?«
Converse machte eine Pause. » Ich hatte gehofft, heute Abend. Nach dem Büro.«
» Da lässt du mir aber sehr wenig Zeit, mon ami. Ich wünschte, du hättest früher angerufen.«
» Ich bin erst vor zehn Minuten angekommen.«
» Aber du hast Genf doch schonâ¦Â«
» Ich hatte in Athen zu tun«, unterbrach Joel ihn.
» Ah ja, heutzutage flieht das Geld vor den Griechen. Etwas übereilig, denke ich. So wie es hier auch war.«
» Wie wäre es mit einem Drink, René? Es ist wichtig.«
Diesmal lieà Mattilon eine Pause entstehen; es war offensichtlich, dass er die Dringlichkeit in Converses Stimme erkannt hatte. » Selbstverständlich«, sagte der Franzose. » Du bist im George V. nehme ich an.«
» Ja.«
» Ich komme so bald wie möglich. Sagen wir in einer Dreiviertelstunde.«
» Vielen Dank. Ich besorge uns zwei Stühle in der Galerie.«
» Ich werde dich finden.«
Stammgäste bezeichneten die riesige, von Marmorbögen geschmückte Halle vor den Rauchglastüren der George-V.-Bar als » Galerie«. Der Name kam daher, weil es zur Linken tatsächlich in einem durch Glasscheiben abgetrennten Korridor eine Kunstgalerie gab. Aber ebenso passte der Name auch auf den eleganten Raum selbst. Die mit dicken Samtpolstern ausgestatteten Sessel und Sofas, die polierten, dunklen Tische, die die Marmorwände säumten, standen unter Kunstwerkenâ riesigen Tapisserien aus lang vergessenen Schlössern und mächtigen, heroischen Gemälden von namhaften Künstlern aus Vergangenheit und Gegenwart.
Der Raum begann sich zu füllen. Kellner aus der benachbarten Bar streiften diskret zwischen den Sesseln und Stühlen umher und nahmen Bestellungen auf. Sie wussten wohl, wo das wirkliche Geld beheimatet war. Converse fand zwei Sessel am äuÃersten Ende, wo es etwas heller war. Er sah auf die Uhr, konnte das Zifferblatt kaum erkennen. Vierzig Minuten waren seit seinem Gespräch mit René verstrichen, gerade Zeit genug, um zu duschen und das Hemd zu wechseln. Er legte Zigaretten und Feuerzeug auf den Tisch und bestellte etwas zu trinken, ohne das marmorverkleidete Eingangsportal aus den Augen zu lassen.
Zwölf Minuten später sah er ihn. Mattilon kam mit energischen Schritten aus dem grellen Licht der Eingangshalle in die weiche Beleuchtung der Galerie. Er blieb einen Augenblick lang stehen, kniff die Augen zusammen und nickte dann. Er ging über den weichen Teppich auf Joel zu, sein Gesicht zeigte ein breites, ehrliches Lächeln. René Mattilon war Mitte bis Ende fünfzig, aber sein Schritt, ebenso wie sein Aussehen lieÃen einen jüngeren Mann vermuten. Er verbreitete jene Aura um sich, die für erfolgreiche
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