Die Aquitaine-Verschwoerung
begonnen hatte? Wie reagiert ein solcher Mann auf Anerkennung und die ständig wachsende eigene Bedeutung? Einem solchen Mann durfte man nicht viel wegnehmen; der Zorn konnte dann leicht zur Raserei werden. Und doch hatte Bertholdier das alles mit fünfundfünfzig aufgegeben, ziemlich jung für jemanden, der so prominent war. Das passte nicht. Irgendetwas fehlte an dem Porträt dieses Alexander der neueren Zeit. Zumindest bis jetzt.
Der richtige Zeitpunkt spielte in Bertholdiers wachsendem Ruf eine besondere Rolle. Nach Posten in der Dra Hamada und Algerien wurde er nach Französisch-Indochina versetzt, wo die Lage der Kolonialstreitkräfte sich schnell verschlechterte und damals heftige Guerillatätigkeit herrschte. Seine Leistungen im Felde lieferten bald Gesprächsstoff in Saigon und Paris. Die unter seinem Befehl stehenden Truppen errangen einige seltene, aber dringend benötigte Siege, die zwar nicht den Lauf des Krieges ändern konnten, aber immerhin die eingefleischten Militaristen davon überzeugten, dass die primitiven asiatischen Kräfte durch überlegenen gallischen Mut und Strategie besiegt werden konnten; es fehlte nur das Material, das Paris zurückhielt. Die Niederläge von Dien Bien Phu war eine bittere Medizin für jene Männer, die behaupteten, Verräter im Quai dâOrsay hätten die Demütigung Frankreichs herbeigeführt. Obwohl Colonel Bertholdier als eine der wenigen heroischen Gestalten aus der Niederlage hervortrat, war er klug oder vorsichtig genug, sich zurückzuhalten und wenigstens äuÃerlich nicht die Partei der »Falken« zu ergreifen. Viele sagen, er habe damals auf ein Signal gewartet, das niemals kam. Wieder wurde er auf einen Auslandsposten versetzt und diente in Wien und Westberlin.
Vier Jahre später jedoch brach er aus der Form, die er so sorgsam aufgebaut hatte, aus. Nach seinen eigenen Worten wurde er von de Gaulles Ãbereinkünften mit den um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Algeriern » erzürnt und desillusioniert«. Er floh in sein Geburtsland Nordafrika und schloss sich der aufständischen OAS des Generals Raoul Salan an, die sich heftig der von ihr als verräterisch bezeichneten Politik widersetzte. Während dieser revolutionären Phase seines Lebens war er in einen Attentatsversuch auf de Gaulle verwickelt. Als Salan dann im April 1962 in Gefangenschaft geriet und die Front der Aufständischen zusammenbrach, trat Bertholdier zu aller Erstaunen erneut völlig ungeschoren aus der Niederlage hervor. Mit einer nur als auÃergewöhnlich zu bezeichnenden Entscheidung, die nie ganz verstanden wurde, veranlasste de Gaulle, dass Bertholdier aus dem Gefängnis geholt und in den Quai dâOrsay gebracht wurde. Was damals zwischen den beiden Männern gesprochen wurde, ist nie bekannt geworden, jedenfalls wurde Bertholdier sein ehemaliger Militärrang wieder zuerkannt. Die einzige von de Gaulle bekanntgewordene Bemerkung hierzu erfolgte auf einer Pressekonferenz am 4. Mai 1962. Auf eine Frage, die den begnadigten Rebellenoffizier betraf, sagte er (wörtliche Ãbersetzung): » Einem groÃen Soldaten und Patrioten muss man auch einmal eine kurze Episode der Verblendung gestatten und nachsehen. Wir haben miteinander gesprochen. Wir sind zufrieden.« Mehr sagte er zu dem Thema nicht.
Sieben Jahre bekleidete Bertholdier verschiedene einflussreiche Positionen, stieg während dieser Zeit in den Generalsrang auf und wurde während der Zugehörigkeit Frankreichs zum NATO -Bündnis häufig als führender militärischer Vertreter in den wichtigsten Botschaften vorstellig. Er wurde regelmäÃig in den Quai dâOrsay berufen, begleitete de Gaulle zu internationalen Konferenzen und war häufig in den Medien zu sehenâ nicht weit von dem groÃen Mann entfernt. Obwohl er wesentliche Beiträge zu den Konferenzen leistete, wurde er seltsamerweise jedes Mal wieder auf seinen vorherigen Posten zurückgeschickt, während die internen politischen Diskussionen fortgesetzt und Entscheidungen ohne ihn getroffen wurden. Es war, als befände er sich in ständiger Warteposition, ohne dass je die entscheidende Berufung erfolgte. War diese letzte Berufung das Signal, auf das er sieben Jahre früher in Dien Bien Phu gewartet hatte? Auf diese Frage wissen wir keine Antwort, wir glauben aber, dass man ihr Augenmerk widmen sollte.
Als de Gaulle dann im Jahre 1969 nach
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