Die Aquitaine-Verschwoerung
aber nicht das erste Mal. Benötigen Sie irgendetwas?«
» Nein, vielen Dank«, antwortete Converse, gab sich gefasst und hob seinen Aktenkoffer. » Das Wichtigste habe ich hier bei mir . Oder doch, eines noch. Ist es vielleicht noch möglich, einen Drink zu bestellen?«
» Selbstverständlich.«
Joel saà im Bett, die Akte neben sich, das Glas in der Hand. Er brauchte ein paar Minuten, um seine Gedanken zu sammeln, ehe er wieder in die Welt des Feldmarschalls Erich Leifhelm zurückkehrte. Er hatte sich von der Telefonzentrale mit dem Flughafen verbinden lassen, und man hatte ihm versichert, dass man seinen Koffer für ihn verwahren würde. Zur Erklärung hatte er nur angegeben, dass er seit zwei Tagen und Nächten unterwegs gewesen sei und daher einfach nicht auf das Gepäck habe warten wollen. Die Flughafenangestellte mochte aus seinen Worten herauslesen, was sie wollte, ihm war das vollkommen egal. Ihn beschäftigten jetzt andere Dinge.
Die amerikanische Botschaft! Was ihn so erschrecken lieÃ, war, wie gut das alles zu den Worten des alten Beale passte : und hinter alldem stehen diejenigen, die andere überzeugen, und ihre Zahl wächst überall . Wir befinden uns bereits in der Countdown-Phase â drei bis fünf Wochen, mehr Zeit haben Sie nicht . Darauf war Joel nicht vorbereitet gewesen. Einen Delavane und einen Bertholdier konnte er als Gegner hinnehmen, sicher auch einen Leifhelm. Aber der Schock, dass ganz gewöhnliche Botschaftsangehörigeâ amerikanische Staatsbürgerâ Befehlsempfänger Delavanes waren, traf ihn tief. Welche Phase hatte das Projekt Aquitania bereits erreicht? Wie viele Verschwörer gab es schon, und wie weit reichte ihr Einfluss? War das, was er heute Nacht erlebt hatte, die Antwort auf diese Fragen? Er würde morgen früh weiter darüber nachdenken. Zuerst aber musste er sich auf den Mann vorbereiten, den er in Bonn finden wollte. Als er nach der Akte griff, erinnerte er sich an die Panik in Preston Hallidays Augen.
Wie lange hatte Preston es schon gewusst?
Wie viel hatte er gewusst?
Als der Krieg verloren war und das » Tausendjährige Reich« zusammenbrach, waren plötzlich die Nazis die gröÃten Schurken des zwanzigsten Jahrhunderts, nicht aber das elitäre deutsche Generalkorps, da gab es einen feinen Unterschied. Wieder begann eine neue Phase in Leifhelms Leben, er schloss sich den » PreuÃen« an. Das gelang ihm so gut, dass sogar Gerüchte aufkamen, er sei ein Mitglied der Verschwörung gegen Hitler und an der Vorbereitung des Attentats in der Wolfsschanze beteiligt gewesen. Manche behaupteten sogar, man habe ihn aufgefordert, sich der Gruppe um Dönitz anzuschlieÃen, die Deutschlands Kapitulation vorbereitet hatte.
Während des Kalten Krieges bat ihn das Alliierte Oberkommando um Unterstützung. Er war damals schon wieder besonderer Militärberater mit voller Sicherheitsfreigabe. Der Lauf der Geschichte besorgte schlieÃlich mithilfe des Kremls ein Ãbriges.
Im Mai 1949 wurde die Bundesrepublik gegründet, und im darauffolgenden September endete formell die alliierte Besetzung Westdeutschlands. Als der Kalte Krieg eskalierte und der rasante Wiederaufbau Deutschlands begann, forderten die NATO -Mächte ihren ehemaligen Feind zu materieller und personeller Unterstützung auf. Die neuen deutschen Divisionen wurden aufgestellt, und Ex-General Erich Leifhelm war einer ihrer Befehlshaber.
Keiner hatte die zweifelhaften Entscheidungen der Münchner Gerichte überprüft, die inzwischen fast zwei Jahrzehnte zurücklagen. Es gab keine Ãberlebenden, und die Sieger wünschten Leifhelms Dienste. In dieser Zeit, in der unzählige Wiedergutmachungszahlungen geleistet wurden und die Gerichte alle Hände voll zu tun hatten, wurden Leifhelm sämtliche Besitzungen seiner Familie, darunter wertvoller Immobilienbesitz in München, zuerkannt. So endet die dritte Phase der Lebensgeschichte des Erich Leifhelm. Die vierte, die uns am meisten berührt, ist diejenige, über die uns am wenigsten bekannt ist. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass er mindestens die gleiche Bedeutung für General Delavanes Operation hat wie jeder andere Name auf der Primärliste.
Es klopfte an der Tür. Joel war mit einem Sprung aus dem Bett, die Leifhelm-Akte fiel zu Boden. Er sah auf die Uhr. Angst stieg in ihm hoch, Angst und Verwirrung. Es war fast
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