Die Arbeit der Nacht
daneben. Er vergaß die Gewürze nicht, Salz und Pfeffer, Essig und Öl, Mehl und Zucker.
Er benötigte weitere Kisten. Eine für Besteck und Geschirr, eine andere für Batterien, Gaskocher und Kartuschen. Mehrere für die Kameras, die er aus der Brigittenauer Lände holte. Er schraubte sie von den Stativen. Diese legte er auf den Boden, wo gerade Platz war. An den freien Wänden reihte er Sechserpackungen Mineralwasser.
Er prüfte die Stabilität seiner Ladung. Was umzustürzen drohte, klebte er mit Sicherheitsband fest.
Die DS kettete er an die senkrechte Transportstange. An der waagrechten gegenüber befestigte er eine Kawasaki Ninja, die er geradewegs aus der Ausstellungshalle des Händlers zur Tankstelle nebenan und dann auf die Hebebühne gerollt hatte und deren Kilometerzähler 400 zurückgelegte Meter anzeigte. Zuletzt fuhr er den ebenfalls vollgetankten Toyota in den Laderaum. Der Platz langte, als habe er mit einem Maßband gearbeitet.
Nachdem er den Teller in den Geschirrspüler gestellt hatte, knipste er Licht an. Er ging zum Fenster. Die Sonne war hinter den Häusern versunken. Wolken leuchteten in verschiedenen Rottönen. Er warf noch einen Blick auf den bereitstehenden Lkw, dann schloß er die Fenster.
Er hatte das Gefühl, mit der Fahrt, die ihm bevorstand, begann ein letzter Akt. Mit einemmal war alles so klar. Er würde losfahren und Marie suchen. Mit ihr oder ohne sie würde er dann hierher zurückkehren. Wahrscheinlich ohne sie.
25
In Linz fuhr er eigens von der Autobahn ab, um den Spider zu besuchen. Durch die zerschmetterte Glastür stieg er in die Ausstellungshalle des Autohauses. Unverrückt stand der Spider an seinem Platz. Der Kilometerstand stimmte.
Er setzte sich ans Lenkrad. Berührte den Schaltknüppel. Die Knöpfe für Heizung, Lüftung, Alarmblinkanlage. Er drückte die Pedale. Mit geschlossenen Augen erinnerte er sich.
Es war sonderbar. Er hatte geglaubt, er würde dieses Fahrzeug nie als seinen Besitz ansehen. Und nun dachte er an die Fahrten, die er mit diesem Auto unternommen hatte. Wie es gewesen war, der Jonas zu sein, der hier saß und mit diesem Sportwagen durch Wien fuhr.
Er rief sich den Tag zurück, an dem er den Spider wieder hier abgeliefert hatte. Er hatte den Toyota eingeladen und nicht gedacht, daß er hierher zurückkehren würde. Die ganze Zeit über war der Spider allein hier gestanden. Während Jonas an anderen Orten gewesen war.
Er riß die Augen auf und trommelte sich mit den Handflächen gegen die Stirn. Wenn er sitzenblieb, würde er in wenigen Minuten einschlafen. Er war an diesem Morgen so müde erwacht, daß er auf der bisherigen Fahrt den Lkw auf der Mittelspur gehalten hatte, aus Furcht vor Sekundenschlaf.
Als er abfuhr, hupte er und winkte dem Spider noch einmal zu.
Eine günstige Gelegenheit, die nächste Kamera aufzubauen, ergab sich kurz nach Passau. Aus den baufälligen Mauern eines Lagers der Straßenmeisterei ragte ein Vordach, in dessen Schutz im Winter Salzsäcke gestapelt wurden. Unter diesem Vordach postierte er die Kamera. Das Objektiv schwenkte er in die Richtung, aus der er gekommen war. Er programmierte den Start der Aufnahme für 16 Uhr am folgenden Tag.
Die Kilometermarkierung las er an einem Pflock in der Erde ab. So notierte er die Stelle in seinem Heft. Er fügte die Zahl 3 hinzu und malte einen Kreis um sie herum. Die 2 darüber bezeichnete einen Parkplatz bei Amstetten, die 1 ein Hinweisschild zwischen Wien und St. Pölten. Beide Kameras befanden sich unter freiem Himmel. Hoffentlich regnete es bis zu seiner Rückkehr nicht. Und wenn doch, so sollten wenigstens die Kassetten unbeschädigt bleiben.
Er schüttete sich eine Flasche Wasser über den Kopf. Eine Dose des Energydrinks, der damit warb, soviel Koffein zu enthalten wie neun Tassen Espresso, trank er leer.
Die Luft war klar. Die Temperaturen lagen deutlich unter jenen, die er in Wien gewohnt war. Ringsum erstreckten sich Maisfelder. Auf einem Weg durch den Acker stand ein verlassener Traktor.
»Hallo!«
Er überquerte die Straße und kletterte über die Leitplanke auf die Gegenfahrbahn. Kein abgestelltes Auto. Kein Lebenszeichen. Nichts.
»Hallo!«
So laut er schrie, seine Stimme klang hier draußen schwach. Schon im Moment nach seinem Ruf war es, als sei hier seit Ewigkeiten kein menschlicher Laut erklungen.
Bei Regensburg aß er zu Mittag. Zum Glück fand er in der Raststation Zwiebeln, Nudeln und ein paar Kartoffeln, so brauchte er seine Vorräte nicht
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