Die Arbeit der Nacht
Getöse auf den Boden prallten. Er ging in Deckung. Im Schutz der Latten spähte er nach draußen auf den Gang. Er horchte. Nichts als der kaputte Wasserhahn war zu hören.
Er kehrte sich wieder den Kartons zu. Aus weit geöffneten Augen starrte er auf den Firmenaufdruck.
Bis ihm bewußt wurde, daß es andere Kartons waren. Ähnliche, aber nicht dieselben. Je länger er schaute, desto klarer wurde ihm, daß in Form und Farbe zwischen den Modellen nur entfernte Ähnlichkeit bestand.
Er riß den ersten Karton auf. Griff in einen Packen Fotos. Er riß den zweiten auf. Nichts als Fotos. Den dritten. Dokumente und Fotos. Der vierte enthielt Bücher. Ebenso wie die nächsten drei, die er erreichen konnte, ohne in großem Ausmaß zu stapeln und umzuschlichten.
Allerorts stieß er auf Vertrautes. Zusammengerollt lehnte in der Ecke die Weltkarte, die im Schlafzimmer der Eltern so oft seine Gedanken auf Reisen geschickt hatte. Ganz oben auf einem Kartonstapel stand der Globus. Dieser hatte ihm in seiner Kindheit als Schreibtischlampe gedient. Der Feldstecher seines Vaters fand sich in einem splitternden Holzregal, daneben standen seine Wanderschuhe. Als Kind hatte Jonas über das Riesenformat dieser Schuhe gestaunt.
Er mußte blind gewesen sein. Er hatte eingeräumt und verpackt und geordnet, ohne das Fehlen des halben Hausrats zu bemerken.
Verwunderlich jedoch auch, daß sein Vater diese Gegenstände im Keller aufbewahrte. Bei einem Spazierstock konnte er das nachfühlen, und auch der Globus mußte nicht im Wohnzimmer herumstehen. Doch daß sein Vater die Fotos und Bücher im Keller vermodern ließ, war für Jonas unbegreiflich.
Das Licht erlosch.
Er atmete tief ein und aus und zählte bis dreißig.
Das Gewehr mit beiden Händen haltend, tastete er sich zum Ausgang. Ein penetranter Geruch von Getreide stieg ihm in die Nase. Vermutlich lagerte in einem der Abteile eine kleine Ladung Werkstoff, mit dem die alten Leute trotz allem noch immer gern im Winter ihre Fenster abdichteten.
Er legte den Telefonhörer zurück auf die Gabel. Die Kassetten spulte er zurück. Die eine beschriftete er mit LEER , auf der anderen notierte er: »Villa Bosch, 23. Juli.«
In der einen Hand einen Apfel, suchte er in dem Stapel von Kameraverpackungen, den er aus reiner Nachlässigkeit noch nicht entsorgt hatte, nach den dazugehörigen Unterlagen. Er war zu unkonzentriert. Hastig und mit demonstrativen Kaubewegungen aß er fertig. Das Kerngehäuse schleuderte er aus dem Fenster. Er wischte sich die Finger am Hosenbein ab. Sie klebten, er hielt sie unter die Wasserleitung. Kehrte zu den Verpackungen zurück. Endlich fiel ihm ein, daß er die Bedienungsanleitungen zum Altpapier geworfen hatte.
Er hatte richtig vermutet. Es war möglich, an den Kameras wie bei einer Kaffeemaschine oder einem Heizstrahler eine Zeitschaltung zu aktivieren. Vorausgesetzt, man hatte einen leistungsstarken Akku eingelegt, konnte man Aufnahmen um bis zu 72 Stunden verzögert starten.
Im Tiefkühlfach fand er eine Portion Fisch. Er wärmte sie und aß dazu Bohnensalat aus dem Glas, was nicht zueinanderpaßte. Er spülte ab, dann sah er mit dem Mobiltelefon in der Hand zu, wie die Sonne unterging.
You are terrible. *hic* :-)
Ich liebe liebe liebe liebe dich .
Wo war sie in diesem Moment? In England? Sah sie gerade auch die Sonne?
Diese Sonne?
Vielleicht erlebte nicht nur er diesen Alptraum. Vielleicht waren mit einemmal alle Menschen allein, stolperten durch eine verlassene Welt, und der Spuk wich, wenn zwei, die zusammengehörten, zur selben Zeit am selben Ort auftauchten. Das würde bedeuten, er mußte Marie suchen. Was die Gefahr aufwarf, sie zu versäumen, weil sie in ihrer Welt wohl alles unternahm, um zu ihm zu gelangen. Klüger war es, hier zu warten.
Außerdem war die Theorie totaler Unsinn. Wie mutmaßlich alles, was er sich zu dem Ereignis, das über ihn hereingebrochen war, bisher überlegt hatte.
Er hob die Decke auf und warf sie aufs Bett. Er richtete das Stativ mit der Kamera auf. Die Kassette nahm er heraus. Er legte sie in die Kamera, die im Wohnzimmer mit dem Fernseher verbunden war. Er ließ sich ein Bad ein.
Das Wasser war heiß. Vor ihm trieb ein Schaumberg, der aussah wie ein kniender Elefant. Deutlich erkannte er das Hinterteil, die Beine, die Ohren, den Rüssel. Er pustete. Der Elefant segelte ein Stück davon. Er pustete erneut. Er pustete dem Elefanten ein Loch in die Backe.
Eine Geschichte fiel ihm ein, die ihm seine Mutter mit
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