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Die Arbeit der Nacht

Die Arbeit der Nacht

Titel: Die Arbeit der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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zum Autohaus zurückfand.
    Wie er ihn verlassen hatte, stand der Toyota vor der Ausstellungshalle. Obwohl es aussah, als hätte es hier länger nicht geregnet, war der Wagen sauber. Offenbar war die Luft weniger schmutzig als früher.
    »Hallo, du«, sagte er und trommelte auf das Dach.
    Früher hatte er mit dem Wagen keine Gefühle verbunden. Nun aber war es sein Auto, seines, das aus der alten Zeit. Der Spider würde das nie sein. Aus dem gleichen Grund, aus dem sich Jonas keine neue Kleidung besorgte. Keine Hemden, keine Schuhe, weil er nämlich nichts davon als seinen Besitz ansehen konnte. Das, was ihm vor dem 4.Juli gehört hatte, gehörte ihm jetzt. Reicher würde er nicht werden.
    Er fuhr den Geländewagen und den Spider aus dem Lkw. Sofort sprang der Toyota an. Er rollte ihn auf die Ladefläche. Obgleich der Spider kleiner gewesen war, hatte der Geländewagen noch Platz.
    Bei Laakirchen fuhr er von der Autobahn ab. Die Strecke nach Attnang-Puchheim war gut ausgeschildert. Den Weg zu jenem Haus zu rekonstruieren, in dem er Unterschlupf gefunden hatte, fiel ihm erheblich schwerer. Er hatte nicht damit gerechnet, zurückkehren zu müssen, und seiner Orientierung keinen Wert beigemessen. Schließlich erinnerte er sich, daß er auf das Haus mit den wenigen Fenstern in der Nähe des Bahnhofs gestoßen war. Das schränkte die Suche ein. Fünf Minuten später entdeckte er die DS am Straßenrand.
    Er trat auf die Kurbel. Der Motor sprang an. Jonas ließ ihn eine Weile knattern, dann schob er das Moped auf die Ladefläche des Lkws und band es an den Wandhaken fest. Er rechnete die Tage zurück. Er konnte es kaum glauben, doch die Rechnung stimmte. Acht Tage erst lag sein Besuch hier zurück. Seinem Empfinden nach waren es Monate.
    Ob er beim Verlassen des Hauses alle Lichter abgedreht hatte, wußte er nicht, jedenfalls mußte er sie wieder anknipsen. Das Wäschebündel unter dem Arm, ging er ins Schlafzimmer. Als er seine Gestalt im Spiegelschrank auf sich zukommen sah, senkte er den Blick. Hemd und Hose legte er an ihren Platz zurück.
    »Dankeschön auch.«
    Ohne sich umzusehen, verließ er das Zimmer. Mit steifem Rücken stelzte er auf die Haustür zu. Er wollte schneller gehen, doch etwas hemmte ihn. Den sonderbaren Bildern im Flur schenkte er keine Beachtung. Er hängte den Autoschlüssel an den Haken.
    In diesem Augenblick wurde ihm bewußt, daß es
    ein
    Bild
    mehr
    war als beim letztenmal.
    Von außen schloß er die Tür. Wie an Drähten ging er über den schmalen Weg der Straße zu. Um nichts in der Welt hätte er noch einmal das Haus betreten.
    Er irrte sich nicht. Eines der Bilder war vor einer Woche nicht da gehangen. Welches, wußte er nicht. Sieben waren es gewesen. Und jetzt waren es acht.
    Nein, er mußte sich verzählt haben. Es gab keine andere Möglichkeit. Er war müde und durchnäßt gewesen und aufgeregt. Seine Erinnerung täuschte ihn.
    Auf dem Weg nach Salzburg bekam er Hunger. Er packte die Süßigkeiten aus, die in der Koje hinter ihm lagen. Dazu trank er Limonade. Das Wetter wurde schlecht. Kurz vor der Ausfahrt Mondsee geriet er in ein wildes Gewitter. Die Erinnerungen an seinen Aufenthalt hier waren nicht angenehm, und er wollte einfach weiterfahren. Im letzten Moment bremste er und zog den Wagen auf die rechte Spur. Die mächtigen Wischerarme sausten summend über die Scheibe, es war warm, er hatte zu essen und zu trinken. Beinahe fühlte er sich geborgen. Neben ihm lag sein Gewehr. Es konnte ihm nichts zustoßen.
    Als er die Höhenkontrolle am Badeplatz passierte, krachte es. Die Tafel flog scheppernd zur Seite, doch er spürte nicht den geringsten Ruck.
    Die Wege auf dem Parkplatz waren eng und voneinander durch gemauerte Rasenstreifen getrennt. Ohne sich darum zu kümmern, daß er reihenweise junge Bäume ummähte, nahm er den direkten Weg in Richtung Liegewiese. Mit einem Gefühl der Schadenfreude rammte er den ungarischen Wagen, der unverändert an seinem Platz stand. Er drückte das Gaspedal durch. Ein Metallschranken flog durch die Luft. Jonas kicherte. Das Gras war glitschig. Er bremste, um den Lkw nicht im See zu versenken.
    Ohne auszusteigen, ja ohne anzuhalten, suchte er die Wiese ab. Vom Ufer hielt er sich fern. Der Regen prasselte mit solcher Gewalt auf das Dach des Führerstands, daß es seiner inneren Stimme, die ihn mahnte, keinen Fuß auf die Wiese zu setzen, gar nicht bedurft hätte.
    Von seinem Zelt keine Spur. Er drehte um, fuhr bis zu den Umkleidekabinen. Dann lenkte

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