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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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einen Servomaten mit mehr oder weniger den richtigen
Reparaturwerkzeugen vor dem Gerät stehen.
    Ihr war zunächst am wichtigsten gewesen, die Pumpe wieder zum
Laufen zu bringen. Doch als die Überschwemmung beseitigt war,
hatte sie sich hingesetzt und Bilanz gezogen. Das Schiff sah immer
noch so aus wie damals, als sie aufgewacht war. Die Korridore
erinnerten an schleimige Luftröhren. Aus allen Öffnungen
sickerten Ekel erregende Substanzen. Die Luft roch widerlich
süß, und die Bilgenpumpen lieferten mit ihren
gregorianischen Chorälen eine ständige Begleitmusik.
    Doch irgendetwas war deutlich anders geworden.
    Volyova-Captain: SIE
    Sie hatte das Werkzeug auf die Platte zurückgelegt, die ihr
der Servomat entgegenhielt. Sobald sie fertig war, hatte die Maschine
kehrtgemacht und war auf ihren Raupenketten ratternd um die
nächste Biegung des Wellblechkorridors verschwunden.
    »Ich glaube, Sie können mich hören«, hatte sie
laut gesagt. »Hören und auch sehen. Sie wissen, dass ich
nicht hier bin, um Ihnen etwas anzutun. Sie hätten mich
längst töten können, John, erst recht, wenn Sie die
Servomaten kontrollieren – und das können Sie
doch?«
    Sie war nicht überrascht gewesen, als keine Antwort kam. Aber
sie hatte nicht aufgegeben.
    »Sie wissen natürlich noch, wer ich bin. Ich bin
diejenige, die Sie aufgewärmt hat. Die erraten hat, was Sie
getan hatten. Vielleicht meinen Sie, ich wollte Sie für Ihre
Taten bestrafen, aber das wäre ein Irrtum. Es ist nicht mein
Stil; Sadismus langweilt mich. Wenn ich Sie bestrafen wollte,
hätte ich Sie getötet – und dazu hätte es tausend
Möglichkeiten gegeben. Aber das lag nicht in meiner Absicht. Ich
möchte Ihnen nur sagen, dass ich persönlich der Meinung
bin, Sie hätten genug gelitten. Denn gelitten haben Sie doch,
nicht wahr?« Sie hatte innegehalten, der Musik der Pumpe
gelauscht und zufrieden festgestellt, dass sie nicht gleich wieder
ausfallen würde.
    »Sie haben es verdient«, fuhr sie dann fort. »Sie
haben verdient, für Ihre Taten in der Hölle zu schmoren.
Aber vielleicht haben Sie das ja getan. Nur Sie allein werden jemals
sagen können, wie es ist, so lange ein solches Leben zu
führen. Und nur sie werden jemals sagen können, ob Ihr
jetziger Zustand in irgendeiner Weise eine Verbesserung
darstellt.«
    An dieser Stelle hatte sie durch den Fußboden eine leichte
Erschütterung gespürt. Vielleicht war nur irgendwo im
Schiff planmäßig eine Pumpe angesprungen, oder aber der
Captain wollte seinen Kommentar abgeben.
    »Inzwischen ist es besser geworden, nicht wahr? Es kann nicht
anders sein. Sie sind entkommen, nun sind Sie der Geist des Schiffes,
das Sie einst befehligt haben. Was könnte sich ein Captain mehr
wünschen?«
    Sie hatte keine Antwort mehr erhalten, obwohl sie minutenlang auf
ein zweites Erdbeben oder ein ähnlich verschlüsseltes
Zeichen gewartet hatte.
    »Was übrigens den Servomaten angeht«, hatte sie
endlich gesagt. »Dafür möchte ich mich herzlich
bedanken. Er war mir eine Hilfe.
    Auch darauf hatte das Schiff geschwiegen.
    Doch von diesem Tag an hatten die Servomaten immer bereit
gestanden, wo es etwas zu tun gab. Wenn die Maschinen ihre Absichten
errieten, eilten sie voraus und holten die Werkzeuge oder
Instrumente, die sie benötigte. Dauerten die Arbeiten
länger, dann pflegte ihr ein Servomat sogar von einer der noch
funktionsfähigen Verteilungsstellen zu essen und zu trinken zu
bringen. Es nützte nichts, das Schiff direkt um etwas zu bitten.
Äußerte sie jedoch ihre Wünsche laut, aber wie im
Selbstgespräch, dann schien sie auf offene Ohren zu
stoßen. Das Schiff konnte ihr nicht immer helfen, aber sie
hatte den Eindruck, als gebe es sich redlich Mühe.
    Ganz sicher war sie sich ihrer Sache nicht. Womöglich spukte
gar nicht John Brannigan im Schiff, sondern eine deutlich niedrigere
Intelligenz, die ihr vielleicht nur deshalb so eifrig zu Diensten
war, weil ihr Bewusstsein nicht komplexer war als das eines
Servomaten, und deshalb die gleichen Gehorsamsroutinen enthielt. Wenn
sie sich direkt an Brannigan wandte und so mit ihm sprach, als
könnte er sie verstehen, unterstellte sie vielleicht mehr
Intelligenz, als tatsächlich vorhanden war.
    Doch dann tauchten die Zigaretten auf.
    Sie hatte nicht darum gebeten, sie hatte nicht einmal geahnt, dass
noch irgendwo auf dem Schiff ein Vorrat versteckt sein könnte,
nachdem sie ihren eigenen Bestand restlos aufgebraucht hatte.
Neugierig, aber auch mit tiefem Misstrauen hatte sie

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