Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
alles
verloren.
    Nein. Sie musste Clavain töten; daran führte einfach
kein Weg vorbei. Zugleich musste sie den Eindruck vermitteln,
vernünftigen Argumenten ebenso zugänglich zu sein wie bei
jedem anderen Militäreinsatz. Und das bedeutete, sie musste sich
mit Felkas Begleitung abfinden.
    Du willst mich erpressen?
    [Ich erpresse dich nicht, Skade. Ich verhandle nur. Wenn es
einem von uns gelingen kann, Clavain dieses Vorhaben auszureden, dann
ist es Felka.]
    Er würde nicht auf sie hören, selbst
wenn…
    [Selbst wenn er glaubte, sie wäre seine Tochter? Wolltest
du das sagen?]
    Er ist ein alter Mann, Remontoire. Ein alter Mann mit
Wahnvorstellungen, für die nicht ich verantwortlich bin.
    Die Servomaten traten beiseite, und Remontoire ging zur Tür.
Sein Kopf, der körperlose Ballon, schwebte davon. Während
des Gespräches hatte sie mehrmals geglaubt, einen Riss in der
Neuralblockade zu spüren, eine Verbindung, die Delmar
begreiflicherweise übersehen und nicht vollständig
durchtrennt hatte. Die Risse waren wie hell erleuchtete Fenster, die
ihr kurze Einblicke in Remontoires Bewusstsein gewährten.
Wahrscheinlich hatte er ihr Eindringen nicht einmal bemerkt.
Vielleicht hatte sie sich das Ganze auch nur eingebildet.
    Aber dann wäre auch das Entsetzen, das sie gespürt
hatte, nicht real gewesen. Und dieses Entsetzen ging darauf
zurück, was Remontoire sah.
    Delmar… ich möchte wirklich die Wahrheit
wissen…
    [Später, Skade. Wenn du vollständig
wiederhergestellt bist, darfst du alles erfahren. Doch zunächst
möchte ich dich lieber wieder ins Koma versetzen.]
    Zeig es mir jetzt, Bastard.
    Er trat näher. Einer der Servomaten überragte ihn mit
seinem chromglänzenden Schwanenhals. Der Roboter schwenkte den
Kopf über ihr hin und her und verarbeitete, was er aufgenommen
hatte.
    [Meinetwegen, aber sag hinterher nicht, ich hätte dich
nicht gewarnt.]
    Klonk, klonk, klonk machte es in ihrem Schädel. Die
Blockaden rasselten herunter wie schwere Fensterläden. Eine
Welle von neuralen Informationen brach über sie herein. Sie sah
sich durch Delmars Augen. Das Ding da unten auf der Operationsliege
war sie selbst. Sie erkannte sich – der Kopf war groteskerweise
unverletzt –, aber ihr Körper hatte ganz und gar die
falsche Form. Würgender Ekel erfasste sie, als wäre sie
unversehens auf eine Abbildung in einem präindustriellen
medizinischen Horrorschinken gestoßen. Sie hatte den
verzweifelten Wunsch, die Seite umzublättern und zur
nächsten bedauernswerten Missgeburt weiterzugehen.
    Sie war zerteilt worden.
    Das Tau musste sie von der linken Schulter bis zur rechten
Hüfte diagonal durchtrennt haben. Beide Beine und der linke Arm
fehlten. Die Wunden waren unter großen schalenförmigen
Maschinen verborgen: glänzend weißen, summenden
Panzerplatten, die an riesige Eiterbeulen erinnerten. Darunter
schlängelten sich Flüssigkeitsleitungen hervor und
verschwanden in weißen Modulen an ihrer Seite. Es war, als
steckte sie in einem weißen Stahlkokon, der soeben geplatzt
war. Oder der sie gerade verschlang, um sie in eine exotische
Phantasmagorie zu verwandeln.
    Delmar…
    [Es tut mir Leid, Skade, aber ich hatte dich
gewarnt…]
    Du verstehst mich nicht. Mein… Zustand… kümmert
mich nicht weiter. Wozu sind wir schließlich Synthetiker? Wir
können alles reparieren, wir brauchen nur Zeit dafür. Ich
weiß, dass du mich früher oder später wieder
zusammenflicken wirst. Sie spürte, wie er erleichtert
aufatmete.
    [Früher oder später, ja…]
    Aber früher oder später genügt mir nicht. Ich
muss in spätestens drei Tagen auf einem Schiff sein.

 
Kapitel 13

     
     
    Man musste Thorn ins Büro der Inquisitorin schleppen. Die
großen Türen öffneten sich knarrend. Sie stand am
Fenster und wandte ihm den Rücken zu. Er hatte sie noch nie
gesehen, nun musterte er sie aus verklebten Augen. Sie war kleiner
und jünger, als er erwartet hatte, fast wie ein kleines
Mädchen, das sich als Erwachsene verkleidet hatte. Die seitlich
geknöpfte Ledertunika war ihr etwas zu groß, so dass die
behandschuhten Hände fast in den Ärmeln verschwanden,
darunter trug sie glänzende Stiefel und eine schwarze Hose. Die
Tunika reichte ihr fast bis zu den Knien. Das schwarze Haar war in
straffen, feucht glänzenden Strähnen nach hinten
gekämmt und ringelte sich im Nacken zu kleinen Löckchen,
die wie Fragezeichen aussahen. Sie wandte ihm das Profil zu. Ihre
Haut war einen Ton dunkler als die seine, und über dem

Weitere Kostenlose Bücher