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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Zusammenhänge
noch nicht, deshalb ist Ihre Haltung verständlich.«
    »Welche großen Zusammenhänge?«
    »Dazu kommen wir noch. Reden wir zunächst von
Ihnen.« Sie klopfte auf einen dicken Aktenordner mit
Regierungsemblem, der am Rand des Schreibtisches lag, und schob ihn
zu ihm hinüber. »Los, schlagen Sie ihn auf. Werfen Sie
einen Blick hinein.«
    Er sah sie sekundenlang schweigend an. Dann öffnete er den
prall gefüllten Ordner irgendwo in der Mitte und blätterte
die Papiere durch. Es war, als griffe er in ein Schlangennest. Sein
ganzes Leben war hier ausgebreitet, mit vernichtender Genauigkeit
kommentiert und querindiziert. Sein wirklicher Name – Renzo;
seine persönliche Biografie. Jeder Schritt, den er in den
letzten fünf Jahren in der Öffentlichkeit gemacht hatte.
Jede größere regierungsfeindliche Aktion, bei der er eine
tragende Rolle gespielt hatte – Mitschriften von
Äußerungen, Fotografien, forensische Beweise, langatmige
Berichte.
    »Spannende Lektüre, nicht wahr?«, fragte die zweite
Frau.
    Entsetzt überflog er die restlichen Seiten. Die Angst lag ihm
wie ein Eisklumpen im Magen. Das Material war ausreichend für
zehn Schauprozesse und ebenso viele Todesurteile.
    »Ich verstehe das nicht«, stammelte er. Er wollte jetzt
nicht aufgeben – nicht nach so langer Zeit –, aber alles
war plötzlich so sinnlos geworden.
    »Was verstehen Sie nicht, Thorn?«, fragte
Vuilleumier.
    »Diese Abteilung… wir sind doch bei der
Äußeren, nicht bei der Inneren Sicherheit. Ihre Aufgabe
ist es, den Triumvirn zu finden. Ich… Thorn ist nicht der, an
dem Sie interessiert sind.«
    »Jetzt schon.« Sie nahm einen Schluck Kaffee.
    Die zweite Frau zog an ihrer Zigarette. »Tatsache ist, Thorn,
dass meine Kollegin und ich schon seit längerem mit vereinten
Kräften die Abteilung für Innere Sicherheit zu sabotieren
versuchen. Wir wollten mit allen Mitteln verhindern, dass sie denen
in die Hände fielen. Deshalb mussten wir mindestens genauso viel
über Sie wissen, wenn nicht sogar mehr.«
    Die Frau hatte einen merkwürdigen Akzent. Es gelang ihm
nicht, ihn einzuordnen. Außer… hatte er diese Stimme in
seiner Jugend nicht schon einmal gehört? Er zermarterte sich das
Gehirn, aber die Erinnerung wollte nicht kommen.
    »Warum sabotieren Sie die Innere Sicherheit?«, fragte
er.
    »Weil wir Sie lebend haben wollen und nicht tot.« Sie
grinste ihn an wie ein Äffchen.
    »Immerhin ein Trost.«
    »Gleich werden Sie mich fragen, warum«, sagte
Vuilleumier, »und ich werde Ihnen antworten. Damit kommen wir
übrigens zu den schon erwähnten großen
Zusammenhängen, wenn Sie verstehen, was ich meine, also passen
Sie bitte gut auf.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Diese Stelle der Inquisitionsbehörde, die so genannte
Abteilung für Äußere Sicherheit, ist ganz und gar
nicht das, was sie zu sein scheint. Die ganze groß angelegte
Kampagne zur Verfolgung der Kriegsverbrecherin Volyova ist lediglich
Tarnung für eine viel geheimere Operation. Im Übrigen ist
Volyova schon seit Jahren tot.«
    Er hatte den Eindruck, dass sie ihn belog, während sie ihm
zugleich etwas mitteilte, was der Wahrheit so nahe kam wie nie zuvor.
»Warum tun Sie dann immer noch so, als würden Sie nach ihr
suchen?«
    »Weil es uns eigentlich gar nicht um sie geht, sondern um ihr
Schiff oder darum, es zu erreichen. Aber wenn wir unsere Ermittlungen
auf Volyova konzentrieren, können wir unauffällig nach dem
Schiff suchen, ohne es überhaupt erwähnen zu
müssen.«
    Die zweite Frau, die sich als Irina vorgestellt hatte, nickte.
»Im Grunde ist die ganze Behörde ausschließlich damit beschäftigt, das Schiff zu finden. Alles andere ist
nur eine Nebelbombe. Ein höchst kompliziertes
Ablenkungsmanöver, in dessen Rahmen mörderische
Vernichtungskriege mit einem halben Dutzend anderer Abteilungen
geführt werden, aber letztlich doch nur eine Nebelbombe und
nicht mehr.«
    »Warum die Geheimniskrämerei?«
    Die beiden Frauen wechselten einen Blick.
    »Ich will es Ihnen erklären«, begann Irina, bevor
ihre Kollegin zu Wort kommen konnte. »Die Suche nach dem Schiff
musste bisher einfach deshalb so streng geheim gehalten werden, weil
es zu schwersten Unruhen gekommen wäre, wenn die
Öffentlichkeit jemals davon erfahren hätte.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Panik«, sagte sie und schwenkte zum Nachdruck ihre
Zigarette. »Seit den Flutern unter Girardieu setzt sich jede
Regierung offiziell für das Terraformen ein. Nach der
Sylveste-Krise wurde diese

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