Die Arche
viel mehr als unbestimmte Warnungen und
Empfehlungen.«
»Wer nicht selbst daran teilgenommen hat, kann sich nur
schwer vorstellen, wie es war. Aber ich war auch nur einmal dabei.
Was in den anderen Experimenten passierte, weiß ich
nicht.«
»War Skade schon in das Programm eingebunden, als du
teilgenommen hast?«
»Ja. Aber das war bereits nach unserer Rückkehr aus dem
Weltraum. Der Erlass erging viel früher, lange bevor Skade in
die Synthese aufgenommen wurde. Das Innere Konzil muss bereits
Exordium-Experimente durchgeführt haben, bevor Skade zu uns
kam.«
Wieder sah Felka die Wand an. An sich war es ganz normal, sich
über ein Experiment wie Exordium Gedanken zu machen – Skade
konnte kaum etwas dagegen haben, schließlich stand Exordium im
Zentrum von allem, was derzeit passierte –, aber sie hatte
dennoch das Gefühl, sie sei im Begriff, aufs Schändlichste
Verrat zu begehen.
Doch Remontoire sprach bereits weiter, leise, aber mit fester
Stimme. »Skade kam also zu uns… und schon nach kurzer Zeit
gehörte sie dem Inneren Konzil an und war aktiv an den
Exordium-Experimenten beteiligt. Mindestens eines der Experimente
fiel zeitlich mit dem Erlass zusammen, wir können also davon
ausgehen, dass dabei eine ausdrückliche Warnung vor dem
Tau-Neutrino-Effekt erging. Aber was ist mit den anderen? Welche
Warnungen wurden dabei empfangen? Oder gab es etwa gar keine
Warnungen?« Er sah Felka eindringlich an.
Sie wollte antworten, doch bevor sie sprechen konnte, drängte
das Sims, aus dem sie saß, so plötzlich nach oben, dass
ihr die Luft wegblieb. Sie wartete darauf, dass sich der Druck wieder
legte, aber das tat er nicht. Nach ihrer Schätzung hatte sich
ihr Gewicht, das sie ohnehin schon als Belastung empfunden hatte,
soeben verdoppelt.
Remontoire schaute durch die Aussichtskuppel nach unten, wie Felka
es kurz zuvor getan hatte.
»Was war das eben? Mir scheint, die Beschleunigung hat
zugenommen«, bemerkte sie.
»O ja«, sagte er und nickte. »Kein
Zweifel.«
Felka folgte seinem Blick und hoffte, die Aussicht hätte sich
irgendwie verändert. Doch so weit sie das beurteilen konnte, war
alles gleich geblieben. Der blaue Schein hinter den Triebwerken war
nicht stärker geworden.
* * *
Allmählich wurde die Beschleunigung erträglicher, ohne
je wirklich angenehm zu werden. Wenn man sich vorausschauend und
sparsam bewegte, war das meiste, was man zuvor getan hatte, auch
jetzt noch möglich. Die Servomaten des Schiffs halfen, wo sie
konnten, sie waren ständig auf dem Sprung, um die Menschen zu
stützen, wenn sie aufstehen oder sich hinsetzen wollten. Die
anderen Synthetiker waren leichter und schlanker als Felka und
passten sich mit einer Mühelosigkeit an die Verhältnisse
an, die sie als kränkend empfand. Die Innenflächen des
Schiffes wurden nach Bedarf härter, um Bewegungen zu
erleichtern, oder weicher, um Verletzungen zu verhindern.
Doch nach einer Stunde stieg die Beschleunigung abermals an.
Zweieinhalb Ge. Felka ertrug es nicht länger, doch als sie darum
bat, in ihre Kabine zurückkehren zu dürfen, erfuhr sie,
dass dieser Bereich des Schiffes noch immer gesperrt war. Dafür
teilte das Schiff einen neuen Raum für sie ab und extrudierte
eine Couch, so dass sie sich hinlegen konnte. Remontoire war ihr
behilflich und beteuerte dabei, auch er wisse nicht, was eigentlich
vorgehe.
»Ich begreife das nicht«, stieß Felka keuchend
hervor. »Wir beschleunigen doch nur. Und dass das nötig
sein würde, haben wir vorher gewusst. Anders hätten wir
keine Chance, Clavain jemals einzuholen.«
Remontoire nickte. »Aber da steckt mehr dahinter. Die
Triebwerke liefen schon fast mit Maximalleistung, als wir auf ein Ge
beschleunigten. Die Nachtschatten mag kleiner und leichter
sein als die meisten Lichtschiffe, aber auch ihre Triebwerke sind
kleiner. Sie sind darauf ausgelegt, mit einer Dauerbeschleunigung von
einem Ge auf Lichtgeschwindigkeit zu kommen, mehr aber auch nicht.
Über kurze Distanzen ist eine höhere Geschwindigkeit
möglich, gewiss, aber wir fliegen keine Kurzstrecke.«
»Das heißt?«
»Das heißt, wir hätten nicht um so viel
stärker beschleunigen dürfen. Und ganz sicher nicht
dreifach so stark. Ich sehe auch keine Zusatzraketen am Rumpf. Damit
wäre Skade eigentlich nur eine Möglichkeit geblieben: sie
hätte zwei Drittel der Masse abwerfen müssen, mit der wir
das Mutternest verlassen hatten.«
Felka zuckte mühsam die Achseln. Die technische Seite der
Raumfahrt war ihr herzlich
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