Die Arche
andere überzeugen, wenn ich selbst
nicht überzeugt bin?«
»Das ist vermutlich richtig. Und was ist mit dem
Schiff?«
»Sie sagten, Sie hätten die Möglichkeit, es zu
besuchen. Schön.« Er sah die beiden Frauen, die
jüngere und die ältere, nacheinander an und ahnte, ohne zu
wissen, warum, dass jede der beiden sehr gefährlich werden
könnte, und dass sie im Team absolut tödlich
wären.
»Was heißt, schön?« fragte Vuilleumier.
»Nehmen Sie mich mit.«
* * *
Sie waren eine Lichtsekunde vom Mutternest entfernt, als es zu
einem sonderbaren Zwischenfall kam.
Felka hatte beobachtet, wie der Komet hinter der Nachtschatten zurückblieb. Anfangs schrumpfte er so langsam, dass der
Start wie ein Traum anmutete, wie das Ablegen von einer einsamen
Insel im Mondschein. Sie dachte an ihr Atelier im grünen Herzen
des Kometen, an ihre zierlichen Holzpuzzles, die so fein gearbeitet
waren wie Elfenbeinschnitzereien. Dann dachte sie an die Wand mit den
Gesichtern und an die leuchtenden Mäuse in ihrem Labyrinth und
konnte nicht so recht daran glauben, dass sie das alles jemals
wiedersehen würde. Selbst wenn sie ins Mutternest
zurückkehren sollte, wären die Verhältnisse radikal
andere, denn Clavain wäre entweder tot oder ein Gefangener. Ohne
seine Unterstützung würde sie sich in sich
zurückziehen, würde sich verkriechen im warmen
Mutterschoß ihrer Vergangenheit, als ihre geliebte Mauer das
Einzige auf der Welt war, was für sie zählte. Und das
Schlimme war, dass dieser Gedanke sie nicht nur nicht erschreckte,
sondern sogar mit heimlicher Vorfreude erfüllte. Es wäre
anders, wenn Galiana noch lebte; anders auch, wenn sie zwar tot
wäre, aber Clavain allein durch seine Anwesenheit sie, Felka,
weiterhin an die Realität mit all ihren erdrückenden
Vereinfachungen bände.
Nachdem sie ihr Atelier abgeschlossen und einen Servomaten damit
beauftragt hatte, ihre Mäuse zu versorgen, war sie zuletzt noch
in das Gewölbe hinuntergegangen, um sich von Galianas gefrorenem
Körper zu verabschieden. Aber die Tür wollte sich ihr nicht
öffnen. Für Nachforschungen war keine Zeit gewesen; wenn
sie nicht sofort gegangen wäre, hätte sie den Abflug der Nachtschatten verpasst. Also hatte sie auf das letzte Lebewohl
verzichtet, und jetzt fragte sie sich, warum sie deshalb ein so
schlechtes Gewissen hatte.
Schließlich teilte sie mit Galiana nur ein wenig genetisches
Material.
Felka hatte sich in ihre Kabine zurückgezogen, als das
Mutternest so klein und matt geworden war, dass sie es mit
bloßem Auge nicht mehr erkennen konnte. Eine Stunde nach Abflug
wurde die Beschleunigung und damit die Schwerkraft auf ein Ge
hochgejagt, so dass ›oben‹ mit einem Mal in Richtung auf
den spitzen Bug des langen kegelförmigen Rumpfes definiert war.
Nach weiteren zwei Stunden – das Mutternest war inzwischen eine
Lichtsekunde hinter die Nachtschatten zurückgefallen
– kam eine Nachricht über die Sprechanlage des Schiffes,
eine Geste des Entgegenkommens gegenüber Felka, die einzige
Synthetikerin an Bord, die nicht routinemäßig an das
neurale Kommunikationsnetz angeschlossen war.
Sie wurde aufgefordert, sich schiffsaufwärts zu begeben, in
Flugrichtung auf den Bug zu, der sich jetzt über ihrem Kopf
befand. Als sie der Anweisung nicht schnell genug nachkam, holte ein
Synthetiker, einer von Skades Technikern, sie ab und lotste sie
ehrerbietig durch Gänge und Schächte viele Decks nach oben.
Sie hatte es abgelehnt, sich einen Plan des Schiffes in ihr
Kurzzeitgedächtnis einbrennen zu lassen – sie wollte nicht
sofort mit allem vertraut sein, sondern hielt es für ein Mittel
gegen die Langeweile, sich den Grundriss des Schiffes selbst zu
erschließen – dennoch war nicht zu übersehen, dass
man sich dem Bug näherte. Die Außenwände waren
zunehmend stärker gekrümmt und die Räume kleiner. Sie
brauchte nicht lange, um sich auszurechnen, dass sich mit ihr und
Remontoire nicht mehr als ein Dutzend Personen auf der Nachtschatten aufhalten konnten. Alle waren Angehörige
des Inneren Konzils, aber sie unternahm keinen Versuch, in ihr
Bewusstsein einzudringen.
Die Kabinen waren spartanisch einfach möblierte, meist
fensterlose Zellen, die das Schiff den derzeitigen Bedürfnissen
der Besatzung entsprechend bemessen hatte. Der Raum, in dem sie
Remontoire fand, befand sich ganz außen am Rumpf und hatte eine
blasenförmige Aussichtskuppel in einer Wand. Remontoire
saß seelenruhig auf einem Sims aus extrudiertem Kunststoff,
hatte die
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