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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nicht
auf.«
    »Warum sollten wir Sie belügen?«
    »Das weiß ich nicht, aber ich denke, dass Sie es
tun.« Er hatte sie genau beobachtet. Nun trafen sich ihre
Blicke, und er starrte sie so lange an, dass sie verlegen wurde.
»In irgendeinem Punkt, ich weiß nicht, in welchem, sind
Sie beide nicht vollkommen aufrichtig zu mir. In anderen Dingen
allerdings schon, und das finde ich einigermaßen
verwirrend.«
    »Wir wollen doch nur die Bevölkerung von Resurgam
retten.«
    »Ich weiß. Und das nehme ich Ihnen auch ab.«
    Sie hatten schließlich doch die Schlangenkopf-Fähre
genommen. Irina war auf dem großen Schiff zurückgeblieben.
Der Start war so rasant gewesen, dass Thorn, so sehr er sich auch
bemühte, keinen Blick zurück werfen konnte. Er hatte die Sehnsucht nach Unendlichkeit bisher noch nie von außen
gesehen, nicht einmal beim Anflug von Resurgam. Warum, überlegte
er, waren die beiden wohl so krampfhaft bemüht, die
Außenseite ihres Schiffes vor ihm zu verbergen? Aber vielleicht
bildete er sich das auch nur ein, und er konnte den Anblick auf dem
Rückweg noch genießen.
    »Sie können alleine fliegen«, hatte ihm Irina
erklärt. »Das Schiff braucht nicht gesteuert zu werden. Wir
programmieren die Flugbahn ein, um alles andere kümmert sich die
Automatik. Sie brauchen uns nur zu sagen, wie dicht Sie den
Unterdrückern auf den Pelz rücken wollen.«
    »Nicht allzu dicht, würde ich sagen. Zwanzig- bis
dreißigtausend Kilometer müssten genügen. Dann sehe
ich den Bogen, falls er hell genug leuchtet, und wahrscheinlich auch
die Röhren, die in die Atmosphäre gesenkt werden. Aber ich
fliege nicht allein. Wenn Sie so sehr an mir interessiert sind, wird
mich auch eine von Ihnen begleiten. Dann weiß ich ganz sicher,
dass es keine Falle ist.«
    »Ich bringe ihn hin«, hatte sich Vuilleumier
erboten.
    Irina hatte nur die Achseln gezuckt. »War schön, dich
kennen gelernt zu haben.«
    Der Hinflug verlief ohne Zwischenfälle. Wie auf dem Flug von
Resurgam zum Raumschiff hatten sie den langweiligen Teil im
Tiefschlaf verbracht – nicht im Kälteschlaf, sondern in
einem tiefen künstlichen Koma.
    Vuilleumier hatte veranlasst, dass sie erst geweckt wurden, als
sie bis auf eine halbe Lichtsekunde an den Gasriesen herangekommen
waren. Thorn war unerklärlich gereizt, er hatte einen üblen
Geschmack im Mund, und alle Glieder taten ihm weh.
    »Seien Sie froh, dass wir noch am Leben sind, Thorn. Entweder
haben uns die Unterdrücker tatsächlich nicht bemerkt, oder
wir sind ihnen einfach gleichgültig.«
    »Warum sollten wir ihnen gleichgültig sein?«
    »Weil sie sicher aus Erfahrung wissen, dass wir ihnen nicht
wirklich etwas anhaben können. Und warum sollten sie sich wegen
ein paar harmloser Raumfahrer den Kopf zerbrechen, wenn wir sowieso
bald alle tot sind?«
    Er runzelte die Stirn: »Aus Erfahrung?«
    »Ihr Kollektivgedächtnis hat alles bewahrt, Thorn. Wir
sind nicht die erste Spezies, mit der sie so umspringen. Die
Erfolgsquote muss ziemlich hoch sein, sonst würden sie ihre
Strategie ändern.«
    Sie waren im freien Fall. Thorn zog das Beschleunigungsnetz
beiseite, stieß sich von seinem Sitz ab und schwebte zu einem
der schmalen Fensterschlitze. Er fühlte sich jetzt etwas wohler.
Der Gasriese war ganz nahe, und er sah nicht so aus, als ginge es ihm
besonders gut.
    Das Erste, was Thorn auffiel, waren die drei dicken
Materieströme, die in weitem Bogen, von Delta Pavonis schwach
erhellt, von irgendwoher aus dem System kamen. Die dünnen,
durchsichtig grauen Bänder zogen sich wie schemenhafte
Pinselstriche dicht oberhalb der Ekliptik über den Himmel und
verschwanden in der Unendlichkeit. Man konnte sogar Einzelheiten
erkennen, wenn der eine oder andere Block kurz in der Sonne
aufblitzte. Die feinkörnigen Massen erinnerten Thorn an einen
trägen Fluss kurz vor dem Zufrieren. Die Materie flog mit
mehreren hundert Metern pro Sekunde, aber bei diesen gewaltigen
Dimensionen wirkte selbst diese Geschwindigkeit gletscherhaft
langsam. Die Ströme selbst waren viele, viele Kilometer breit.
So mussten auseinander gezogene Planetenringe aussehen, dachte
Thorn.
    Er verfolgte sie bis an ihr Ende. Kurz bevor sie den Gasriesen
erreichten, knickten die glatten mathematischen Kurven ihrer
Orbitalbahnen scharf ab, und jeder Strom wurde in spitzem Winkel
einem Mond zugeleitet. Es sah fast so aus, als wäre der
Künstler, der die eleganten Schwünge malte, im letzten
Moment gestoßen worden. Die Position der Monde in Bezug auf

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