Die Arche
Lichtschutzblende
geöffnet und Licht und Luft an ihn herangelassen.
Er suchte im Trümmerfeld seines Gedächtnisses nach einem
Namen. »Antoinette?«
»Erraten, Clavain.« Auch sie hatte ihr Visier
hochgeklappt, doch er sah nur einen stumpf geschnittenen blonden
Pony, große Augen und eine Nase voller Sommersprossen. Sie war
mit einer Metallleine an der Schleusenwand festgemacht, und ihre Hand
lag auf einem massiven roten Hebel.
»Sie sind jünger, als ich dachte«, sagte er.
»Wie geht es Ihnen, Clavain?«
»Nicht so besonders«, sagte er. »Aber das vergeht
in ein paar Minuten. Ich habe mich in Tiefschlaf versetzt, fast ins
Koma, um die Reserven meines Anzugs zu schonen. Für den Fall,
dass Sie sich etwas verspätet hätten.«
»Und wenn ich gar nicht gekommen wäre?«
»Ich habe mich auf Sie verlassen, Antoinette.«
»Das war leichtsinnig. Um ein Haar wäre ich nämlich
tatsächlich nicht gekommen. Nicht wahr, Xave?«
Die dritte Stimme, die er zuvor gehört hatte, ließ sich
vernehmen. »Sie wissen ja gar nicht, was Sie für ein
Glück haben, Mann.«
»Nein«, sagte Clavain. »Wahrscheinlich
nicht.«
»Ich sage es noch einmal, stoß ihn ins All!«,
drängte die Stimme.
Antoinette schaute über die Schulter durch das Fenster der
inneren Luftschleusentür. »Jetzt, nachdem wir den weiten
Weg zurückgelegt haben?«
»Es ist noch nicht zu spät. Vielleicht begreift er dann,
dass er nicht alles für selbstverständlich halten
kann.«
Clavain wollte aufstehen. »Ich habe nicht…«
»Sachte!« Antoinette hatte eine Hand ausgestreckt, eine
deutliche Warnung, keinen Muskel mehr zu rühren, und nickte zu
dem roten Hebel hin, den sie mit der anderen umfasst hielt.
»Lassen Sie sich eins gesagt sein, Clavain. Sobald Sie
irgendetwas tun, was mir nicht gefällt – und das kann schon
ein Lidschlag sein –, ziehe ich diesen Hebel. Dann bekommt Xave
seinen Willen, und sie kehren ins All zurück.«
Er überlegte ein paar Sekunden lang. »Sie müssen
bereit gewesen sein, mir wenigstens etwas Vertrauen
entgegenzubringen, sonst wären Sie nicht gekommen, um mich zu
retten.«
»Vielleicht war ich nur neugierig.«
»Vielleicht. Aber vielleicht hatten Sie auch das Gefühl,
dass ich es ehrlich meine. Schließlich habe ich Ihnen das Leben
gerettet.«
Sie betätigte mit der freien Hand die anderen Schalter der
Schleuse. Die innere Tür glitt auf. Clavain konnte einen kurzen
Blick durch die Öffnung werfen. Dahinter an der Wand wartete
eine weitere Gestalt im Raumanzug. Sonst sah er niemanden.
»Ich gehe jetzt«, sagte Antoinette.
Sie klinkte mit einer schnellen Bewegung ihre Leine aus,
schlüpfte durch die offene Tür und schloss die Schleuse von
der anderen Seite. Clavain rührte sich nicht von der Stelle, bis
ihr Gesicht im Fenster erschien. Sie hatte den Helm abgenommen und
fuhr sich mit den Fingern durch den ungebärdigen Schopf.
»Soll ich etwa hier drin bleiben?«, fragte er.
»Vorerst ja. Eine vernünftige Lösung, finde ich.
Wenn Sie etwas tun, was mir nicht gefällt, kann ich Sie
jederzeit ins All stoßen.«
Clavain griff mit beiden Händen an seinen Helm und drehte
ihn, bis er ihn abnehmen konnte. Als er ihn losließ, schwebte
er durch die Schleuse wie ein kleiner Mond aus Metall. »Ich habe
nicht vor, irgendetwas zu tun, woran Sie Anstoß nehmen
könnten.«
»Dann ist es ja gut.«
»Aber hören Sie mir genau zu. Sie schweben in Gefahr,
schon allein deshalb, weil sie hier draußen sind. Wir
müssen das Kriegsgebiet so schnell wie möglich
verlassen.«
»Immer mit der Ruhe«, sagte der Mann. »Wir haben
genügend Zeit für die Wartung verschiedener Systeme. Wir
orten im Umkreis von mehreren Lichtminuten keine Zombies.«
»Die Gefahr geht auch nicht von den Demarchisten aus. Ich war
auf der Flucht vor meinen eigenen Leuten, den Synthetikern. Sie haben
irgendwo hier draußen ein getarntes Schiff. Nicht in
unmittelbarer Nähe, zugegeben, aber es ist schnell, es hat
Langstreckenraketen, und ich möchte wetten, dass es nach mir
sucht.«
»Sie sagten doch, Sie hätten Ihren Tod
vorgetäuscht?«, fragte Antoinette.
Er nickte. »Ich gehe davon aus, dass Skade meine Korvette
inzwischen mit genau diesen Langstreckenraketen abgeschossen hat. Sie
wird annehmen, dass ich an Bord war. Aber dabei wird sie es nicht
bewenden lassen. Wenn sie so gründlich ist, wie ich sie
einschätze, wird sie mit der Nachtschatten die ganze
Gegend abfliegen und nach molekularen Spuren suchen.«
»Molekulare Spuren? Das soll wohl
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