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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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die
ankommenden Ströme änderte sich natürlich
stündlich, so dass auch die Stromgeometrie unentwegt
verändert werden musste. Hin und wieder war es sicherlich
erforderlich, einen Strom anzuhalten und zu stauen, während ein
anderer ihn kreuzte. Vielleicht wurde aber auch mit solcher
Präzision gearbeitet, dass ein Strom durch den anderen
hindurchgleiten konnte, ohne dass sich die Bestandteile
berührten.
    »Wir wissen nicht, wie man es schafft, sie so zu
steuern«, flüsterte Vuilleumier geheimnisvoll. »Diese
Ströme haben eine ungeheure Wucht, da werden Milliarden Tonnen
pro Sekunde bewegt. Dennoch können sie mühelos die Richtung
ändern. Vielleicht gibt es da oben winzige schwarze Löcher,
um die man die Ströme herumkatapultiert. Irina hält das
jedenfalls für möglich. Mir wird bei dem Gedanken
himmelangst, das kann ich Ihnen sagen. Aber Irina schließt auch
nicht aus, dass die Maschinen die Trägheit abschalten
können, um die Massen so abrupt auf eine andere Bahn zu
lenken.«
    »Auch nicht gerade beruhigend.«
    »Nein. Aber selbst wenn sie die Trägheit manipulieren
oder nach Bedarf schwarze Löcher erzeugen können, geht das
offenbar nicht in größeren Dimensionen, denn sonst
wären wir bereits tot. Auch sie stoßen also an Grenzen.
Daran müssen wir einfach glauben.«
    Die Monde hatten einen Durchmesser von wenigen Dutzend Kilometern
und saßen wie kompakte Lichtknoten an den Enden der
Ströme. Die Materie stürzte senkrecht zur Orbitalebene
durch eine rachenähnliche Öffnung ins Innere. An sich
hätte dieser einseitige Massenzustrom jeden der Körper in
eine neue Umlaufbahn drängen müssen. Dass das nicht
geschah, ließ darauf schließen, dass auch hier die
Gesetze der Impulserhaltung unterdrückt, ignoriert oder
vorübergehend ausgeschaltet wurden, um später wieder in
Kraft gesetzt zu werden.
    Der äußerste Mond legte den Bogen, der irgendwann den
Gasriesen umschließen würde. Von der Sehnsucht nach
Unendlichkeit aus betrachtet, hatte es noch so ausgesehen, als
würde sich der Ring niemals schließen. Das war vorbei. Die
Enden hatten sich weiter bewegt, denn die Röhren wuchsen alle
vier Stunden um tausend Kilometer. Die Lawine superorganisierter
Materie kam so schnell voran wie ein Expresszug.
    Es war keine Magie, nur Industrie, doch das war so schwer zu
glauben, dass Thorn es sich immer wieder vorsagen musste. Im Innern
des Mondes, unter der Eiskruste verborgen, verarbeiteten unbekannte
Maschinerien mit dämonischer Geschwindigkeit den
einstürzenden Materiestrom und schmiedeten aus unbekannten
Bestandteilen die dreizehn Kilometer dicke Röhre. Die beiden
Frauen hatten sich in Thorns Gegenwart nicht darüber
geäußert, ob sie massiv oder hohl war oder gar einen
fremdartigen Mechanismus enthielt.
    Dennoch war hier keine Magie am Werk. Die Naturgesetze, wie Thorn
sie kannte, mochten in der Nähe der Unterdrücker-Maschinen
dahinschmelzen wie Butter an der Sonne, aber das lag nur daran, dass
es sich dabei nicht, wie er gedacht hatte, um eherne Gesetze
handelte, sondern nur um Regelungen und Vorschriften, die meistens
eingehalten wurden, aber unter Druck gebrochen werden konnten. Doch
auch die Unterdrücker waren nicht allmächtig. Sie konnten
Wunder wirken, aber das Unmögliche blieb ihnen verwehrt. Zum
Beispiel brauchten sie Materie. Sie konnten sie mit erstaunlicher
Geschwindigkeit verarbeiten, aber sie konnten sie nach allem, was man
bisher in Erfahrung gebracht hatte, nicht aus dem Nichts entstehen
lassen. Drei Welten hatten zertrümmert werden müssen, um
den Rohstoff für dieses kreative Inferno zu liefern.
    Und ihr Werk mochte noch so gewaltig sein, es brauchte seine Zeit.
Der Bogen um den Planeten konnte nur mit siebzig Metern pro Sekunde
wachsen; sie konnten ihn nicht auf einen Schlag erschaffen. Die
Maschinen waren mächtig, aber sie waren keine Götter.
    Und das, so entschied Thorn, war wohl der einzige Trost, den er
mitnehmen konnte.
    Er wandte sich den unteren Monden zu. Die Unterdrücker hatten
sie in genau kreisförmige Orbits dicht über der Wolkendecke
manövriert. Hin und wieder kreuzten sich ihre Bahnen, ohne dass
das langsame, emsige Kabellegen dadurch unterbrochen worden
wäre.
    Diese Prozedur war jetzt sehr viel deutlicher zu erkennen. Die
elegant geschwungenen Röhren wuchsen schnurgerade gegen die
Bewegungsrichtung aus der Mondhülle und stießen auf die
Wolkendecke nieder, um etliche tausend Kilometer hinter dem Mond wie
Injektionsspritzen in die Atmosphäre

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