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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Glück sie hatten?«
    »Wirklich?«
    »Wenn die Abteilung für Terrorismusbekämpfung Sie
gefunden hätte, lägen Sie jetzt im Leichenschauhaus.
Vielleicht sogar in mehreren. Zu Ihrem Glück hatten die
Polizisten, von denen Sie festgenommen wurden, keine Ahnung, wen sie
vor sich hatten. Wahrscheinlich hätten sie mir nicht einmal
geglaubt, wenn ich es ihnen gesagt hätte. Für sie steht
Thorn auf gleicher Stufe mit dem Triumvir – ein mythisches
Schreckgespenst. Ich glaube, sie erwarteten einen menschlichen
Riesen, der sie mit bloßen Händen in Stücke
reißen könnte. Aber Sie sind nur ein ganz normaler Mann,
der in Cuvier auf der Straße niemandem auffallen
würde.«
    Thorn tastete mit dem Finger in seinem Mund herum. »Wenn ich
Thorn wäre, müsste ich mich wohl entschuldigen, weil ich
die Leute so enttäuscht habe.
    Khouri drehte sich endlich um und ging auf ihn zu. Doch ihre
Haltung, ihre Miene, selbst ihre Ausstrahlung waren ihm fremd.
Für einen Moment wurde er von schrecklichen Zweifeln befallen.
Vielleicht war alles, was er seit dem letzten Treffen hier erlebt
hatte, nur ein Hirngespinst gewesen, schoss es ihm durch den Kopf.
Vielleicht gab es gar keine Khouri.
    Aber diese Ana Khouri war so wirklich gewesen. Sie hatte ihn ins
Vertrauen gezogen, hatte ihm nicht nur ihre eigene Identität und
die des Triumvirn enthüllt, sondern auch andere, tiefere
Geheimnisse verraten, die traurige Geschichte ihres Ehemanns etwa,
von dem sie durch ein grausames Schicksal getrennt worden war. Er
zweifelte nicht daran, dass sie diesen Mann immer noch liebte.
Dennoch wünschte er sich sehnsüchtig, sie möge sich
von ihrer Vergangenheit losreißen und zu der Einsicht kommen,
dass sie sich mit dem Geschehenen abfinden und ihren Weg weitergehen
musste. Er hatte deshalb sogar ein schlechtes Gewissen, denn der
Wunsch war keineswegs frei von Egoismus. Es ging ihm nicht nur –
nicht einmal überwiegend – darum, Khouri zu helfen. Er
wollte vor allem mit ihr schlafen. Das Verlangen ließ sich
nicht unterdrücken, so sehr er sich dafür verachtete.
    »Können Sie stehen?«, fragte sie.
    »Ich habe schließlich auf meinen eigenen Beinen diesen
Raum betreten.«
    »Dann kommen Sie mit. Aber machen Sie keine Dummheiten,
Thorn. Sie tun sich keinen Gefallen damit.«
    »Was haben Sie mit mir vor?«
    »Ich muss unter vier Augen mit Ihnen sprechen.«
    »Das können Sie doch auch hier«, sagte er.
    »Soll ich Sie der Terrorismusbekämpfung übergeben,
Thorn?
    Mir macht das keine Umstände, und dort wäre die Freude
sicher groß.«
    Sie führte ihn in den Raum mit den Regalen voller Papiere,
den er von seinem ersten Besuch her kannte. Khouri zog die Tür
hinter sich zu – sie schloss luftdicht ab – und holte aus
einer Schreibtischschublade einen schmalen zigarrengroßen
Silberzylinder. Sie stellte sich in die Mitte des Zimmers, hielt die
Zigarre in die Höhe und drehte sich langsam um sich selbst. Die
winzigen Lichter in der silbernen Hülle wechselten von Rot nach
Grün.
    »Alles in Ordnung«, sagte sie, nachdem die Lichter drei
bis vier Minuten lang grün geblieben waren. »Ich musste in
letzter Zeit meine Vorsichtsmaßnahmen verschärfen.
Während ich auf dem Raumschiff war, hat man hier drin eine Wanze
angebracht.«
    »War der Schaden groß?«, fragte Thorn.
    »Nein. Es war ein primitives Gerät, und bis ich
zurückkam, funktionierte es schon nicht mehr. Aber seither hat
man noch einen weiteren und etwas qualifizierteren Versuch
unternommen. Ich darf kein Risiko eingehen, Thorn.«
    »Wer ist ›man‹? Eine andere
Regierungsbehörde?«
    »Schon möglich. Es könnte sogar meine eigene sein.
Ich habe den Leuten versprochen, ihnen den Kopf des Triumvirn auf
einem Silbertablett zu servieren, und mich dann nicht daran gehalten.
Jetzt wird man allmählich misstrauisch.«
    »Du hast doch mich.«
    »Sicher, das ist ein gewisser Trost. 0 verdammt.« Es
war, als hätte sie ihn zum ersten Mal richtig wahrgenommen.
»Du siehst ja entsetzlich aus, Thorn. Es tut mir so Leid, dass
ich dir das nicht ersparen konnte.« Sie nahm aus einer anderen
Schublade einen kleinen Verbandskasten, benetzte einen Wattebausch
mit Desinfektionsmittel und drückte ihn gegen Thorns
aufgeplatzte Augenbraue.
    »Das tut weh«, sagte Thorn.
    Sie stand so dicht vor ihm, dass er die Poren in ihrer Haut
zählen und ihr ungeniert in die Augen sehen konnte, ohne den
Eindruck zu erwecken, er starre sie an.
    »Natürlich. Hat man dich wirklich so hart
angefasst?«
    »Nicht

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