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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wehren, Thorn, und du musst auch
damit rechnen, verletzt zu werden.
    Er sprang von der Bühne. Die Polizisten waren maskiert und
nicht zu erkennen. Sie hielten Sprühdosen und
Betäubungswaffen bereit und drängten sich – mit
schnellen, ruckartigen Bewegungen und ohne sich hörbar zu
verständigen – durch die Menge, die vor Schreck wie
gelähmt war. Thorn landete auf dem Boden und rannte auf den
Notausgang zu, um zu seinem Fluchtauto zu gelangen, das zwei
Straßen weiter parkte. Echt musste es aussehen. Blutig echt.
Scharrend wurden die ersten Stühle gerückt, die Menschen
standen auf oder versuchten es wenigstens. Angstgas-Granaten
krachten, das Summen und Knistern der Betäubungsgewehre
erfüllte den Raum. Jemand schrie, dann prallten
ungeschützte Knochen gegen eine gepanzerte Rüstung. Einen
Augenblick lang war alles wie erstarrt gewesen. Das war vorbei. Jetzt
brach Panik aus; alles drängte ins Freie.
    Thorns Fluchtweg war blockiert. Die Polizei kam auch durch diesen
Eingang.
    Er fuhr herum. Auch die andere Tür war aussichtslos. Er
musste husten, so unerwartet wie ein Niesreiz erfasste auch ihn die
Panik. Das Angstgas war überwältigend, am liebsten
hätte er sich in einer Ecke verkrochen. Aber er kämpfte es
nieder, packte einen der Stühle und hielt ihn wie einen Schild
vor sich, als die Polizei auf ihn zugestürmt kam.
    Ehe er sich versah, lag er auf den Knien und kippte vornüber.
Die Polizei prügelte mit Schlagstöcken auf ihn ein,
fachmännische Schläge, die nur Blutergüsse
verursachten, aber keine größeren Knochenbrüche oder
innere Verletzungen.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie eine andere Gruppe von Polizisten
über die Frau mit den schlechten Zähnen herfiel und sie wie
ein räuberischer Krähenschwarm unter sich begrub.
    * * *
    Während der Aufseher auf die Vollendung des Sängers
wartete, stieß er zum Zeitvertreib in die übereinander
gelagerten Erinnerungsschichten seiner früheren Inkarnationen
vor.
    Der Aufseher existierte nicht in einer einzelnen
Unterdrücker-Maschine. Das wäre eine allzu anfällige
Konzentration von Sachverstand gewesen. Aber wenn ein Schwarm an
einem Ort zusammengezogen wurde, wo eine Säuberung erforderlich
war – im Allgemeinen ein Raumsegment mit einem Durchmesser von
nur wenigen Lichtstunden –, wurde aus vielen unterhalb der
Schwelle zur Empfindungsfähigkeit angesiedelten
Unterbewusstseinen eine dezentrale Intelligenz gebildet. Die
subintelligenten Elemente und ihre langsamen, aber gut abgesicherten
Denkvorgänge wurden durch lichtschnelle Nachrichtenverbindungen
miteinander vernetzt. Einzelne Einheiten übernahmen die
schnellere Verarbeitung. Die weit gespannten Denkprozesse eines
solchen Aufsehers waren zwangsläufig träge, aber das hatte
die Unterdrücker noch nie behindert. Sie hatten auch nie
versucht, die Unterelemente mit überlichtschnellen
Nachrichtenverbindungen zu vernetzen. Zu zahlreich waren im Archiv
die Warnungen vor den Gefahren solcher Experimente. Ganze Spezies
waren wegen einer einzigen unbedachten Kausalitätsverletzung
schon aus der galaktischen Geschichte gelöscht worden.
    Der Aufseher war nicht nur langsam und dezentral. Er war auch
ein Provisorium, das nur vorübergehend zu sich kommen durfte.
Sein Ichbewusstsein hatte gleich bei seiner Entstehung mit
gnadenloser Härte erkannt, dass es dem Tod geweiht war, sobald es seine Aufgabe erfüllt hatte. Aber der Aufseher nahm
dieses unentrinnbare Schicksal ohne Bitterkeit hin und bewahrte
seinen Gleichmut auch, nachdem er die archivierten Erinnerungen an
frühere Säuberungen gesichtet hatte, bei denen er in
Erscheinung getreten war. Es war nun einmal so und nicht anders.
Intelligenz, auch Maschinenintelligenz, durfte sich in der Galaxis
nicht ausbreiten, solange die drohende Krise nicht abgewendet war.
Denn die Intelligenz war sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst der
schlimmste Feind.
    Der Aufseher vertiefte sich in einige von den früheren
Säuberungen. Natürlich war es nicht wirklich dasselbe
Bewusstsein gewesen, das diese Auslöschungen gesteuert hatte.
Wenn sich bei seltenen Gelegenheiten verschiedene
Unterdrücker-Schwärme trafen, tauschten sie Berichte
über die jüngsten Ausbrüche und ihre Niederschlagung,
neue Techniken und Anekdoten aus. Da solche Treffen in letzter Zeit
noch rarer geworden waren, hatte sich die Bibliothek der Verfahren
des Sternenmords in den letzten fünfhundert Millionen Jahren nur
um eine einzige wichtige Methode erweitert. Schwärme, die so
lange

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