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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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der Schmelzseuche dahinsiechte.
    Ein Verbrechen von solcher Ruchlosigkeit musste natürlich vor
den anderen Besatzungsmitgliedern sorgsam geheim gehalten werden. Ans
Licht gekommen war es erst im Zuge der turbulenten Ereignisse im
Umkreis des Neutronenstern, die schließlich dazu führten,
dass der Captain sein eigenes Schiff verzehrte und transformierte.
Volyova hatte ihn zu diesem Schicksal verurteilt, aber nicht nur, um
ihn zu bestrafen – dazu hätte sie ihn ebenso leicht auch
töten können –, sondern auch in der Hoffnung, so ihre
eigenen Überlebenschancen zu verbessern. Das Schiff wurde
ohnehin von einer feindlichen Macht – der Seuche –
kontrolliert, da hielt Ilia den Einfluss des Captains noch für
das geringfügig kleinere Übel. Wobei sie gerne zugab, dass
sie ihre Entscheidung in diesem Moment nicht allzu eingehend
analysiert hatte.
    »Ich weiß, was Sie getan haben«, sagte sie.
»Und Sie wissen, dass ich Ihre Tat verabscheue. Aber Sie haben
dafür gebüßt, Captain; das wird niemand bestreiten.
Ich denke, es ist an der Zeit, das alles hinter sich zu lassen und
vorwärts zu schreiten.«
    »Ich habe so unendliche Schuldgefühle.«
    »Und ich habe unendliche Schuldgefühle wegen des
Waffenoffiziers. Ich bin für alles, was geschehen ist, nicht
weniger verantwortlich als Sie, Captain. Wenn ich ihn nicht in den
Wahnsinn getrieben hätte, wäre es wohl nie so weit
gekommen.«
    »Ich müsste dennoch mit meinem Verbrechen
leben.«
    »Aber es liegt weit zurück. Sie hatten Angst. Was Sie
getan haben, war schrecklich, aber Sie haben nicht aus kalter
Berechnung gehandelt. Das soll keine Entschuldigung sein, verhilft
aber doch zu etwas besserem Verständnis. Ich würde nicht
ausschließen, Captain, dass ich in Ihrer Lage – kaum noch
ein Mensch und vielleicht von einer Krankheit befallen, von der ich weiß, das sie mich töten wird oder gar noch
Schlimmeres – zu ähnlich extremen Mitteln greifen
würde.«
    »Sie würden niemals morden, Ilia. Dafür sind Sie
ein zu guter Mensch.«
    »Auf Resurgam hält man mich für eine
Kriegsverbrecherin, Captain. Manchmal frage ich mich, ob die Leute
nicht Recht haben. Vielleicht haben wir Phoenix ja doch zerstört.«
    »Das haben Sie nicht.«
    »Hoffentlich.«
    Wieder trat eine lange Pause ein. Sie schlurfte weiter durch den
Schleim und stellte ganz nebenbei fest, dass Beschaffenheit und Farbe
des Sekrets in jedem Schiffsabschnitt ein klein wenig anders waren.
Wenn man das Schiff sich selbst überließe, würde es
in wenigen Monaten in seinen eigenen Absonderungen ertrinken. Sie
fragte sich, ob das dem Captain helfen oder ihn eher behindern
würde, und hoffte, sie käme nie in die Lage, das Experiment
beobachten zu müssen.
    »Was wollen Sie denn nun von mir, Ilia?«
    »Die Weltraumgeschütze, Captain. Letzten Endes sind Sie
es, der sie kontrolliert. Ich habe versucht, sie allein zu bedienen,
aber es war kein rauschender Erfolg. Sie sind zu fest in das
Waffennetzwerk des alten Leitstandes eingebunden.«
    »Diese Geschütze sind mir nicht geheuer, Ilia.«
    »Mir auch nicht, aber ich glaube, wir könnten nicht auf
sie verzichten. Sie haben Sensoren, Captain. Sie haben das Gleiche
gesehen wie ich. Ich habe Ihnen gezeigt, wie die Felswelten
zertrümmert wurden. Und das war erst der Anfang.«
    Wieder schwieg er beunruhigend lange, dann sagte er: »Ich
habe auch gesehen, was mit diesem Gasriesen geschehen ist.«
    »Dann haben Sie sicher auch bemerkt, dass in der Wolke aus
freigesetzter Gasriesen-Materie etwas Neues entsteht. Im Augenblick
ist es noch so ungeformt wie ein Fötus. Aber man spürt,
dass es gewollt ist. Und es wird gewaltig, Captain, gewaltiger als
alles, was wir kennen. Schon jetzt hat es einen Querschnitt von
tausenden von Kilometern, und das könnte noch
zunehmen.«
    »Ich habe es bemerkt.«
    »Ich weiß nicht, was es ist oder was es bewirken soll.
Aber ich kann es erraten. Die Unterdrücker haben es auf die
Sonne abgesehen, auf Delta Pavonis. Sie wollen sie vernichten.
Diesmal geht es nicht mehr nur darum, eine größere
Sonnenfackel auszulösen. Hier bahnt sich etwas an, das
verheerender ist als jede Massenejektion, von der wir je gehört
haben.«
    »Womit könnte man denn eine Sonne
zerstören?«
    »Ich weiß es nicht, Captain. Ich habe keine
Ahnung.« Sie zog heftig an ihrem Zigarettenstummel, doch der war
endgültig erloschen. »Aber das ist im Moment nicht meine
größte Sorge. Eine andere Frage interessiert mich viel
mehr. Womit könnte man eine solche

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