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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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können.«
    Alle starrten schweigend auf das langsam rotierende Viereck mit
dem bösartig funkelnden kleinen Stern – der Nachtschatten – in der Mitte.
    * * *
    Der Regierungssprecher war ein kleiner, adretter Mann mit penibel
gepflegten Fingernägeln, der nichts mehr verabscheute, als mit
irgendeiner Art von Schmutz in Berührung zu kommen. Als man ihm
die vorbereitete Erklärung überreichte – ein
zusammengefaltetes graues Stück Synthetikpergament, wie es die
Regierung verwendete –, ergriff er sie nur vorsichtig mit Daumen
und Zeigefinger und vermied jeden weiteren Hautkontakt. Erst als er
im Sendegebäude, einem klobigen Kasten neben der
Inquisitionsbehörde, an seinem Schreibtisch saß und sich
vergewissert hatte, dass die Tischplatte von Krümeln und
Fettflecken frei war, ließ er sich herab, das Blatt auseinander
zu falten. Er richtete es genau parallel zu den Kanten aus und
öffnete es so langsam und gleichmäßig entlang des
Knicks, als wäre es eine Kiste, die womöglich eine Bombe
enthielt. Dann schützte er die Hand mit dem Ärmel und
strich diagonal über das Pergament, bis es glatt auf dem Tisch
lag. Nun erst senkte er den Blick auf den Text und ging ihn
flüchtig durch, um sicher zu sein, dass er ihn fehlerfrei
vortragen konnte.
    Hinter dem Schreibtisch bewegte der Kameramann einen Schwenkarm
mit einer Kameradrohne, die an sich noch einwandfrei funktionierte.
Nur die Schwebemotoren hatten längst das Zeitliche gesegnet. Wie
so vieles in Cuvier erinnerte die bizarre Konstruktion an eine
Vergangenheit, in der alles besser gewesen war. Aber solche
Überlegungen verbot sich der Sprecher. Es war nicht seine
Aufgabe, sich Gedanken über den derzeitigen Lebensstandard zu
machen, und wenn er ganz ehrlich war, hatte er selbst, verglichen mit
der Mehrheit der Bevölkerung, auch keinen Grund zur Klage. Seine
Lebensmittelrationen waren mehr als reichlich, und er bewohnte mit
seiner Frau ein überdurchschnittlich großes Appartement in
einem der besseren Viertel von Cuvier.
    »Sind Sie so weit?«, fragte der Kameramann.
    Der Sprecher antwortete nicht sofort, sondern las den Text noch
einmal mit stummen Lippenbewegungen ab und prägte sich die
Formulierungen ein. Er hatte keine Ahnung, von wem die Erklärung
kam, wer sie aufgesetzt, überarbeitet oder sich den Kopf
über den genauen Wortlaut zerbrochen hatte. Das alles ging ihn
nichts an. Der große, solide, gut geölte Regierungsapparat
hatte gewohnt zuverlässig seine Arbeit getan, nun war es an ihm,
dem Volk die Botschaft zu übermitteln. Er überflog die
Zeilen noch ein weiteres Mal, dann sah er den Kameramann an.
    »Ja«, sagte er. »Ich denke, wir
können.«
    »Wenn Sie mit dem ersten Versuch nicht zufrieden sind,
zeichnen wir eben noch einmal auf. Es wird nicht live
gesendet.«
    »Ich denke, ein Durchgang sollte genügen.«
    »Nun gut, dann…
    Der Sprecher räusperte sich. Sein Magen rebellierte bei der
Vorstellung, wie sich der Schleim löste und wieder setzte. Dann
begann er zu lesen.
    »Die Demokratische Regierung von Cuvier gibt Folgendes
bekannt. Vor einer Woche konnte in einer Gemeinschaftsaktion der
Inquisitionsbehörde und der Abteilung für
Terrorismusbekämpfung der flüchtige Terrorist mit Namen
Thorn gefasst werden. Thorn befindet sich seither in Gewahrsam und
stellt für die gesetzestreuen Bürger Cuviers und seiner
Satellitengemeinden keine Gefahr mehr dar. Die Demokratische
Regierung von Cuvier möchte bei dieser Gelegenheit einmal mehr
mit aller Entschiedenheit die verantwortungslosen Gerüchte
zurückweisen, die von den verblendeten Anhängern des
Terroristen Thorn verbreitet werden. Es gibt keinerlei Hinweise auf
eine Gefahr von außen, durch die unsere Kolonie in ihrer
Existenz bedroht wäre. Es gibt keinerlei Hinweise auf das
Vorhandensein zweier funktionsfähiger Orbitalfähren. Es
gibt keinerlei Hinweise auf angeblich bereits bestehende geheime
Evakuierungslager, und es gibt keinerlei Hinweise auf
Massenwanderungen von den größeren
Bevölkerungszentren zu diesen fiktiven Sammelpunkten. Weiterhin
gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass das Raumschiff des Triumvirn
entdeckt worden wäre, oder dass die Möglichkeit
bestünde, mit diesem Schiff die gesamte Bevölkerung von
Resurgam zu evakuieren.«
    Der Sprecher legte eine Pause ein und sah in die Kamera.
»Erst vor sechsundzwanzig Stunden hat Thorn sich selbst
öffentlich von diesen Gerüchten distanziert, an deren
Verbreitung er mitgewirkt hatte. Er hat all jene verurteilt,

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