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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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drang
Lärm durch den Regen. Krachen und Klirren, Sirenengeheul und
Schreie. Es klang fast wie im Karneval, nur ohne Musik. Thorn fiel
ein, dass er schon lange keine Musik mehr gehört hatte.
    Alsbald rottete sich vor der Inquisitionsbehörde eine
Menschenmenge zusammen. Die Polizei gab sich redlich Mühe, aber
die Menschen waren einfach zu zahlreich, um sie
zurückzudrängen, man konnte nur mit Mühe verhindern,
dass sie in das Gebäude eindrangen. Schon waren eine ganze Reihe
von Randalierern von Gasgranaten oder Stachelstöcken
betäubt zu Boden gegangen. Ihre Freunde bemühten sich nach
Kräften, sie in Sicherheit zu bringen. Ein Mann schlug um sich
wie ein Epileptiker. Ein anderer schien tot oder zumindest bewusstlos
zu sein. Die Polizisten hätten die Menge in wenigen Sekunden
zusammenschießen können, dachte Thorn, aber sie hielten
sich zurück. Er bemühte sich, ihre Gesichter zu erkennen.
Sie wirkten ebenso verstört und verwirrt wie der Pöbel, den
sie zur Ruhe bringen sollten. Offenbar hatten sie Anweisung, eher
maßvoll und möglichst ohne Brutalität vorzugehen.
    Der Balkon war von einer niedrigen Gittermauer umgeben. Thorn
beugte sich über die Brüstung und spähte auf die
Straße hinunter. Khouri trat es ihm nach. Triumvir Volyova
vermied es, sich sehen zu lassen.
    »Es ist so weit«, sagte Thorn. »Ich muss
persönlich zu den Menschen sprechen, um ihnen zu zeigen, dass
die Erklärung keine Fälschung war.«
    Er wusste, dass er nur laut zu rufen brauchte. Jemand würde
ihn schon hören. Ein einziger Mensch in der Menge
genügte.
    Wenig später würden alle Köpfe in die Höhe
gehen, und man würde ihn erkennen, bevor er noch den Mund
aufgemacht hatte.
    »Strengen Sie sich an«, flüsterte Volyova heiser
von hinten. »Strengen Sie sich sehr an, Thorn. Von Ihrer kleinen
Vorstellung hängt eine Menge ab.«
    Er sah sich nach ihr um. »Werden Sie es sich dann anders
überlegen?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Irina…«, begann Khouri. »Bitte denk noch
einmal darüber nach. Gib uns wenigstens eine Chance, bevor du
die Geschütze einsetzt.«
    »Ihr bekommt eure Chance«, sagte Volyova. »Bevor
ich die Geschütze einsetze, bringe ich sie auf die andere Seite
des Systems. Auf diese Weise ist die Unendlichkeit nicht das
erste Ziel, sollten die Unterdrücker
zurückschlagen.«
    »Und das dauert eine Weile?«, fragte Khouri.
    »Ihr habt nicht mehr als einen Monat. Natürlich erwarte
ich nicht, dass ihr bis dahin den ganzen Planeten evakuiert habt.
Aber wenn ihr den Zeitplan einhalten – und vielleicht noch ein
wenig verkürzen – könnt, lasse ich mich vielleicht
bewegen, mit den Geschützen noch etwas länger zu warten.
Das ist doch ein vernünftiges Angebot? Ihr seht, ich kann
durchaus flexibel sein.«
    »Du verlangst zu viel«, sagte Khouri. »Selbst wenn
auf dem Planeten alles reibungslos läuft, können wir nicht
mehr als zweitausend Menschen auf einmal vom Orbit zum Lichtschiff
befördern. Das ist ein Engpass, an dem wir nicht vorbeikommen,
Ilia.« Sie schien gar nicht zu merken, dass sie den Triumvirn
mit ihrem richtigen Namen angesprochen hatte.
    »Jeder Engpass lässt sich umgehen, wenn man wirklich
will«, sagte Volyova. »Ich habe euch doch nun wirklich
jeden Ansporn gegeben.«
    »Es geht um Thorn, nicht wahr?«, sagte Khouri.
    Thorn sah sie an. »Wieso um mich?«
    »Es gefällt ihr nicht, dass du zwischen uns getreten
bist«, erklärte Khouri.
    Der Triumvir ließ das verächtliche Schnauben
hören, das Thorn schon kannte.
    »Es ist schon so«, beharrte Khouri. »Nicht wahr,
Ilia? Wir waren ein Herz und eine Seele, bis ich Thorn in die
Beziehung einbrachte. Er hat die traute Zweisamkeit gestört, und
das wirst du ihm und mir niemals verzeihen.«
    »Red keinen Unsinn«, sagte Volyova.
    »Es ist kein Unsinn, ich will nur…«
    Aber der Triumvir hatte sich schon der Tür ins Innere
zugewandt.
    »Wo willst du hin?«, fragte Khouri.
    Volyova hielt inne. »Was glaubst du, Ana? Natürlich auf
mein Schiff zurück. Dort wartet eine Menge Arbeit.«
    »Auf einmal ist es dein Schiff? Ich dachte, es
wäre unser Schiff?«
    Aber Volyova hatte gesagt, was sie zu sagen hatte. Thorn
hörte, wie sich ihre Schritte entfernten.
    »Ist das wahr?«, fragte er Khouri. »Glaubst du
wirklich, sie ist eifersüchtig auf mich?«
    Aber auch Khouri gab keine Antwort. Endlich wandte Thorn sich
wieder der Stadt zu. Er beugte sich in die Nacht hinaus und verfasste
in Gedanken die wichtige Rede, die er gleich halten

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