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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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länger ein Verdacht gewesen. Sie
hatte immer wieder das Gefühl gehabt, nicht allein auf der Sturmvogel zu sein. Und Biests Fürsorge ging oft weit
über mechanische Kontrollfunktionen hinaus. Antoinette hatte
geahnt, dass dahinter mehr steckte als eine künstliche
Gamma-Persönlichkeit.
    Aber das hätte bedeutet, dass Xavier – und ihr Vater
– sie belogen hatten. Und sie war nicht bereit gewesen, diesen
Gedanken an sich heran zu lassen.
    Bis jetzt nicht.
    Als die Beschleunigung für kurze Zeit heruntergefahren wurde,
um technische Kontrollen an der Anlage durchzuführen, war
Antoinette an Bord der Sturmvogel gegangen und hatte aus
reiner Neugier und obwohl sie damit rechnete, dass entsprechende
Einträge aus den Schiffsarchiven gelöscht worden waren,
nach Informationen zum Thema Mandelstam-Entscheidung gesucht.
    Und sie war tatsächlich fündig geworden.
    Aber vermutlich hätte sie es auch so erraten.
    So richtig waren ihre Zweifel zutage getreten, nachdem sie Clavain
geborgen hatten. Zum einen hatte Biest bei dem Phantomangriff einen
Frühstart hingelegt, als hätte es ›die Nerven
verloren‹, was bei einer Gamma-Intelligenz einfach nicht
möglich war.
    Außerdem hatte sich die Polizeidrohne, die jetzt den Rest
ihres Lebens in einem feuchten Keller im Château verbringen
durfte, nach der Beziehung ihres Vaters zu Lyle Merrick erkundigt und
dabei die Mandelstam-Entscheidung erwähnt.
    Damals hatte sie nichts damit anfangen können.
    Aber jetzt wusste sie Bescheid.
    Und schließlich hatte Biest versehentlich in der Ich-Form
von sich gesprochen, als wäre die Fassade, die es lange Zeit mit
viel Mühe aufrechterhalten hatte, für einen winzigen Moment
verrutscht und dahinter wäre das wahre Gesicht zum Vorschein
gekommen.
    »Kleine Miss…?«
    »Ich weiß Bescheid.«
    »Was weißt du, Kleine Miss?«
    »Was du bist. Wer du bist.«
    »Verzeihung, Kleine Miss, aber…«
    »Halt die Klappe!«
    »Kleine Miss… vielleicht dürfte man…«
    »Halt deine verdammte Klappe, sage ich!« Antoinette
schlug mit der flachen Hand auf die Konsole des Flugdecks. Eigentlich
wollte sie Biest schlagen, und dies kam ihrer Absicht am
nächsten. Warme Genugtuung durchrieselte sie. »Ich
weiß genau, was hier los ist. Ich habe mich über die
Mandelstam-Entscheidung informiert.«
    »Die Mandelstam-Entscheidung, Kleine Miss?«
    »Tu nicht so verdammt unschuldig. Du weißt genau, wovon
ich rede. Es geht um das Gesetz, das kurz vor deinem Tod erlassen
wurde. Über irreversible neurale Todesurteile.«
    »Irreversibler Neuraltod, Kleine…«
    »Das Gesetz besagt, dass die Obrigkeit – der
Ferrisville-Konvent – das Recht hat, alle Beta- oder
Alpha-Kopien einer Person, die unwiderruflich zum Tode verurteilt
wurde, zu beschlagnahmen und zu löschen. Das heißt, die
Obrigkeit kann sämtliche Kopien, ob Simulationen oder echte
Neural-Scans, die man von sich selbst hat anfertigen lassen,
zusammenholen und zerstören.«
    »Das klingt sehr extrem, Kleine Miss.«
    »Nicht wahr? Und die Behörden machen Ernst. Wer dabei
ertappt wird, dass er eine Kopie eines verurteilten Verbrechers
versteckt, bekommt selbst großen Ärger. Natürlich
gibt es Schlupflöcher – eine Simulation kann man fast
überall verstecken oder irgendwohin beamen, wo Ferrisville
nichts mehr zu sagen hat. Aber ein gewisses Risiko bleibt. Ich habe
nachgesehen, Biest. Die Behörden haben Leute gefasst, die gegen
die Mandelstam-Entscheidung verstoßen und Kopien bei sich
aufbewahrt haben. Sie wurden ohne Ausnahme ebenfalls zum Tode
verurteilt.«
    »Ich finde, das war ziemlich leichtsinnig.«
    Sie lächelte. »Ja, nicht wahr? Aber angenommen, man
bewahrte eine solche Kopie bei sich auf, ohne davon zu wissen?
Inwiefern würde das die Gleichung verändern?«
    »Man möchte nur ungern spekulieren.«
    »Ich behaupte, es würde die Gleichung um kein verdammtes
Haar verändern. Jedenfalls nicht, soweit es die Bullen angeht.
Das heißt, es wäre unverantwortlich, einen anderen mit einem Trick dazu zu bringen, ohne Wissen eine illegale
Simulation aufzubewahren.«
    »Mit einem Trick, Kleine Miss?«
    Sie nickte. Jetzt war sie am Ziel. Auch Biest sollte endlich mit
der Wahrheit herausrücken. »Die Polizeidrohne wusste
Bescheid, nicht wahr? Wahrscheinlich fand sie nur keine Beweise
– vielleicht wollte sie mich auch nur auf kleiner Flamme
schmoren lassen, um zu sehen, wie viel ich weiß.«
    Wieder verrutschte die Maske. »Ich bin nicht
ganz…«
    »Ich schätze, Xavier war mit im Spiel. Er

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