Die Arche
als wie ein riesiges Gebäude, das sich
nach oben hin verjüngte.
»Was ist das?«, fragte Skade.
»Was ist was?«
»Das…« Skade wollte auf den Turm deuten, doch er
war nicht mehr da. Entweder hatte sich der Nebel geschlossen und ihn
ihrem Blick entzogen, oder er hatte aufgehört zu existieren.
»Da ist nichts«, sagte der Wolf.
Skade wählte ihre Worte sehr bewusst. »Wolf, hör
mich an.
Wenn Clavain auch diesmal überlebt, bin ich bereit zu tun,
worüber wir gesprochen hatten.«
»Du willst das Undenkbare wagen, Skade? Den Übergang in
Zustand Vier?«
Sogar Felka hielt in ihrem Spiel inne und schaute zu den beiden
Erwachsenen auf. Die Spannung war deutlich spürbar, die Zeit
dehnte sich.
»Ich bin mir über die Gefahren im Klaren. Aber es muss
sein, um endlich einen Vorsprung zu bekommen. Wir müssen den
Sprung durch die Nullmassengrenze in den Zustand Vier wagen. In die
Phase der Tachyon-Masse.«
Wieder dieses grässliche Wolfsgrinsen. »Nur sehr wenige
Organismen haben sich jemals schneller als das Licht bewegt,
Skade.«
»Ich bin bereit dazu. Was muss ich tun?«
»Das weißt du doch genau. Die Anlage, die du gebaut
hast, ist schon beinahe dazu fähig, es bedarf nur ein paar
kleiner Veränderungen. Nichts, was deine Produktionsanlagen
überfordern würde. Aber du musst dir bei Exordium Rat
holen.«
Skade nickte. »Deshalb bin ich hier. Deshalb habe ich Felka
mitgebracht.«
»Dann lass uns beginnen.«
Felka kehrte zu ihrem Spiel zurück und beachtete die beiden
nicht mehr. Skade setzte eine codierte Sequenz von Neuralbefehlen an
die Exordium-Anlage ab und leitete die Kohärenzkopplung ein.
»Es beginnt, Wolf.«
»Ich weiß. Ich fühle es.«
Felka blickte von ihrem Spiel auf.
Skade spürte, wie sie sich vervielfältigte. Aus dem
Meeresnebel, aus einer Richtung, die sie weder beschreiben noch
zeigen konnte, entstand der Eindruck, etwas weiche zurück in
unermessliche, eisige Fernen, ein weißer Korridor, der bis ans
öde Ende der Ewigkeit reichte. Skade kribbelte es im Nacken. Sie
wusste, dass sie irgendein schweres Unrecht beging. Eine Vorahnung
des Bösen hing in der Luft. Aber sie durfte nicht
zurückweichen, sie musste tun, was getan werden musste.
Wie der Wolf gesagt hatte: man musste sich seinen Ängsten
stellen.
Skade lauschte gespannt. Sie glaubte, aus dem Korridor
flüsternde Stimmen zu hören.
* * *
»Biest?«
»Ja, Kleine Miss?«
»Bist du vollkommen aufrichtig zu mir?«
»Warum sollte man denn nicht vollkommen aufrichtig sein,
Kleine Miss?«
»Genau das ist die Frage, die ich mir stelle,
Biest.«
Antoinette war allein auf dem unteren Flugdeck der Sturmvogel. Ihr Frachter hing in einer Shuttle-Bucht der Zodiakallicht in einem schweren Reparaturgerüst, das selbst der hohen
Beschleunigung des Lichtschiffes standhalten konnte. Der Frachter
stand hier, seit sie das Lichtschiff bestiegen hatten. Alle
Schäden wurden unter Xaviers kundiger Anleitung gewissenhaft
behoben. Xavier ließ sich von Hyperschweinen und
Bord-Servomaten bei der Arbeit helfen, und anfangs waren die
Reparaturen langsamer vorangegangen, als es mit einer voll
ausgebildeten Affentruppe der Fall gewesen wäre. Doch die
Schweine hatten zwar einige Probleme mit der Fingerfertigkeit, doch
dafür waren sie letztlich klüger als die Hyperprimaten, und
nachdem die ersten Schwierigkeiten überwunden und die Servomaten
entsprechend programmiert worden waren, machte man gute Fortschritte.
Xavier hatte den Rumpf nicht nur ausgebessert, sondern ihm eine
vollständige neue Panzerung verpasst. Alle Triebwerke von den
Korrekturraketen bis hinauf zum Tokamak-Fusionsreaktor waren
überholt und hochfrisiert, und die vielen überall auf dem
Schiff in getarnten Nischen verstauten Waffen waren nachgerüstet
und in ein gemeinsames Steuerungsnetz integriert worden. Xavier war
der Meinung, sie könnten ruhig mit der Wahrheit
herausrücken. Wozu immer noch so tun, als wäre die Sturmvogel nur ein ganz gewöhnlicher Frachter? Da, wo sie
hinflogen, gab es keine neugierige Obrigkeit, der man ein solches
Theater vorspielen musste.
Dann war die Beschleunigung immer weiter hochgefahren worden, so
dass alle nur noch stillsitzen oder sich schwerfällig mit
sperrigen Exoskeletten fortbewegen konnten, und Antoinettes Besuche
bei ihrem Schiff waren seltener geworden. Das lag nicht nur daran,
dass die Arbeiten nahezu abgeschlossen waren und es nichts mehr zu
beaufsichtigen gab; noch etwas anderes hielt sie fern.
Irgendwo war da wohl schon
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