Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
Von allen
Gesichtern, die sie kannte, konnte sie sich dieses am leichtesten
einprägen, aber was sollte sie daraus schließen? Dass sie
nicht nur durch Abhängigkeiten, durch die Umstände und
durch ihre gemeinsame Vergangenheit miteinander verbunden waren? Sie
hatte Clavain belogen, erinnerte sie sich. Sie hatte behauptet, sie
sei seine Tochter. Und sie konnte nicht erkennen, ob er durchschaut
hatte, dass es eine Lüge war.
    »Felka…«
    »Hör zu, Clavain.« Sie fasste nach seiner Hand und
drückte sie fordernd. »Du musst mir zuhören. Ich habe
dir davon nie erzählt, weil es mich zu sehr aufwühlte. Aber
bei den Exordium-Experimenten spürte ich ein Bewusstsein, das
aus der Zukunft nach mir suchte. Es war unaussprechlich böse,
aber es hatte auch etwas an sich, das ich erkannte. Es war
Galiana.«
    »Nein…«, sagte Clavain.
    Sie drückte seine Hand fester »Es ist die Wahrheit. Aber
es war nicht ihre Schuld. Das begreife ich erst jetzt. Es war ihr
Bewusstsein, nachdem der Wolf von ihr Besitz ergriffen hatte. Skade
ließ zu, dass auch der Wolf an den Experimenten teilnahm. Sie
brauchte seinen Rat, um die Anlage zu bauen.«
    Clavain schüttelte den Kopf. »Der Wolf hätte
niemals mit Skade kooperiert.«
    »Er hat es aber getan. Sie konnte ihn überzeugen, dass
er ihr helfen müsste. Damit sie die Geschütze an sich
brächte und nicht du.«
    »Was hätte der Wolf davon?«
    »Nichts. Aber der Wolf zog es vor, wenn die Geschütze
von jemandem geborgen würden, auf den er einen gewissen Einfluss
hatte, und nicht von einem Außenstehenden wie dir. Deshalb
erklärte er sich bereit, ihr zu helfen. Wenn die Geschütze
erst in Reichweite wären, würde er schon eine
Möglichkeit finden, sie zu zerstören. Ich war dabei,
Clavain, ich war in seiner Welt.«
    »Der Wolf hat dich eingelassen?«
    »Er bestand sogar darauf. Beziehungsweise der Teil von ihm,
der noch Galiana war.« Felka hielt inne. Sie wusste, wie
schmerzhaft dieses Gespräch für Clavain sein musste. Schon
sie empfand es als quälend, und ihm hatte Galiana noch viel mehr
bedeutet.
    »Willst du damit sagen, es gäbe einen Teil von Galiana,
der sich an uns erinnert? Einen Teil, der noch weiß, wie es
vorher war?«
    »Sie weiß es, Clavain. Sie hat noch Erinnerungen, und
sie hat auch Gefühle.« Wieder hielt Felka inne, denn jetzt
kam das Schwerste überhaupt. »Deshalb musst du es
tun.«
    »Was muss ich tun?«
    »Was du immer tun wolltest, bevor Skade dir sagte, sie
hätte Galiana in ihrer Gewalt. Du musst den Wolf
vernichten.« Wieder betrachtete sie sein Gesicht, staunte
über sein Alter und bedauerte, ihm das antun zu müssen.
»Du musst das Schiff zerstören.«
    »Aber wenn ich das Schiff zerstöre«, sagte Clavain
so aufgeregt, als hätte er einen entscheidenden Fehler in ihrer
Argumentation entdeckt, »dann töte ich Galiana.«
    »Ich weiß«, sagte Felka. »Ich weiß.
Trotzdem musst du es tun.«
    »Das kannst du gar nicht wissen.«
    »O doch, ich weiß es genau. Ich habe es gespürt,
Clavain. Ich habe gespürt, dass sie das wollte.«
    * * *
    Er stand allein in der Aussichtskuppel am Bug der Zodiakallicht und sah schweigend hinaus. Er hatte Anweisung gegeben, ihn nicht
zu stören, bis er von sich aus wieder die Gesellschaft suchte,
und sollte er auch viele Stunden in der Einsamkeit verharren.
    Nach fünfundvierzig Minuten hatten sich seine Augen an die
Dunkelheit gewöhnt. Er starrte nach hinten in die endlose Nacht
und wartete auf das Zeichen, das ihm sagte, das Werk sei vollbracht.
Gelegentlich zog ein kosmischer Strahl eine trügerische Spur
über sein Blickfeld, aber er wusste, dass ›das
Ereignis‹ eine andere, unverwechselbare Signatur hätte, die
in der Finsternis des Alls unmöglich zu übersehen
wäre.
    Dann wuchs aus dem Herzen der Dunkelheit ein blauweißer
Funke, flammte im Lauf von drei oder vier Sekunden zu maximaler
Helligkeit auf und durchlief, langsam verblassend, alle
Spektraltöne von Rot bis Rostbraun. Auf seiner Netzhaut
hinterließ er ein deutliches Nachbild, einen grell violetten
Punkt, der auch erhalten blieb, als er die Augen schloss.
    Clavain hatte die Nachtschatten zerstört.
    Skade hatte sich große Mühe gegeben, aber sie hatte
nicht alle Sprengladungen gefunden, die er und Scorpio in ihrem
Schiff angebracht hatten. Und da es Stecknadelköpfe waren, hatte
schon eine genügt. Sie war nur der Auslöser für eine
ganze Kaskade von Detonationen gewesen: zuerst waren die mit
Antimaterie betriebenen Raketen mit ihren

Weitere Kostenlose Bücher