Die Arche
Ihnen so wichtig, dass Sie für ihre Rettung ihr
Leben riskierten. Auch das war eine schwierige Entscheidung.
Aber Sie sind nicht einmalig.« Scorpio kratzte sich den
Schweinerüssel. »Jeder hier musste schwere Entscheidungen
treffen. Denken Sie nur an Antoinette. Ich kenne ihre Geschichte,
Clavain. Sie will nur eine gute Tat tun – ihrem Vater das
Begräbnis verschaffen, das er sich gewünscht hatte –
und am Ende steckt sie mitten in einem Kampf um die Zukunft der
ganzen Spezies. Schweine, Menschen… alles. Das hatte sie sich
bestimmt nicht so vorgestellt, als sie aufbrach. Sie wollte nur ein
reines Gewissen haben. Aber wer kann vorhersehen, wohin der Weg uns
führt, und ob eine Entscheidung nicht sehr viel schwierigere
Fragen aufwirft? Sie hielten Ihre Fahnenflucht für einen in sich
abgeschlossenen Akt, aber sie war nur der erste Schritt in einem
Geschehen von viel größerer Tragweite.«
Clavain seufzte. Scorpio fand, es klinge nicht mehr ganz so
bedrückt, aber das mochte Illusion sein. Auch seine Stimme war
weicher geworden. »Und was ist mit dir, Scorpio? Musstest auch
du dich entscheiden?«
»Und ob. Zum Beispiel, ob ich mich auf die Seite von euch
menschlichen Dreckskerlen schlagen sollte.«
»Und die Folgen?«
»Einige von euch halte ich immer noch für Dreckskerle,
die man möglichst langsam und qualvoll zu Tode foltern sollte.
Aber nicht alle.«
»Das nehme ich als Kompliment.«
»Genießen Sie es. Meine Meinung könnte sich schon
morgen ändern.«
Clavain seufzte wieder, dann kratzte er sich den Bart und sagte:
»Na schön. Einverstanden. Schickt diese Beta-Kopie
ab.«
»Aber Sie müssen eine Erklärung dazu abgeben«,
sagte Scorpio. »Um die Bedingungen festzulegen, wenn Sie so
wollen.«
»Was immer erforderlich ist, Scorp. Verdammt, ich werde es
tun.«
* * *
Während ihrer langen grausamen Herrschaft hatten die
Unterdrücker fünfzehn verschiedene Verfahren erlernt, einen
Zwergstern zu ermorden.
Sicherlich, dachte der Aufseher, gab es noch andere mehr oder
weniger wirksame Methoden, die in verschiedenen Epochen der
galaktischen Geschichte entwickelt und eingesetzt worden waren. Die
Galaxis war sehr groß und sehr alt, und das Wissen der
Unterdrücker war keineswegs lückenlos. Tatsache war
freilich, dass der Fundus in den letzten vierhundertvierzig Millionen
Jahren um keine neue Variante des Sternenmords bereichert worden war.
Seit der letzten Aktualisierung hatte die Galaxis zwei Umläufe
vollendet. Selbst für die Unterdrücker, die in
gletscherhaften Zeitbegriffen dachten, war dies eine beunruhigend
lange Spanne, um auf dem gleichen Wissensstand zu verharren.
Einen Stern zu zersingen war die letzte Methode, die in die
Sammlung der Techniken des Xenozids Eingang gefunden hatte, und
obwohl auch dies schon vierhundertfünfzig Millionen Jahre her
war, empfand der Aufseher eine Mischung aus Neugier und Ratlosigkeit,
wenn er daran dachte. Ähnlich mochte ein greiser Schlachter auf
eine neue Erfindung reagieren, mit der die Produktivität des
Schlachthofs verbessert werden sollte. Die aktuelle
Säuberungsoperation war eine gute Gelegenheit, das Verfahren
ausgiebig zu testen und auf seine Brauchbarkeit zu prüfen. Wenn
es den Aufseher nicht zufrieden stellte, würde er im Archiv
einen Eintrag mit der Empfehlung hinterlassen, bei künftigen
Säuberungen wieder auf eine der älteren
Sternenmord-Methoden zurückzugreifen. Doch zunächst
beschloss er, auf die Wirksamkeit des Sängers zu bauen.
Alle Sterne sangen. Die äußeren Schichten
tönten ständig wie unermüdlich läutende Glocken
auf vielen verschiedenen Frequenzen. Die großen Seismographen
erfassten Schwingungen, die sich tief ins Innere hinein fortsetzten,
bis hinunter zur Brennfläche unmittelbar über dem
Fusionskern. Bei einem Zwergstern wie Delta Pavonis waren diese
Schwingungen nur mäßig stark. Aber der Sänger stimmte
sich darauf ein und verstärkte sie, indem er in der
äquatorialen Ebene auf einer stationären Bahn um den Stern
herumschwang und auf genau den richtigen Resonanzfrequenzen
Gravitationsenergie hineinpumpte. Denn der Sänger war das, was
die Säuger einen Graver genannt hätten, einen
Gravitationslaser.
Im Herzen des Sängers befand sich ein mikroskopisch
kleiner, geschlossener String, ein winziges Relikt aus der
Frühzeit des rasant abkühlenden Universums, das aus dem
brodelnden Schaum des Quantenvakuums gezogen worden war. Verglichen
mit den großen kosmischen Unregelmäßigkeiten war der
String nur ein
Weitere Kostenlose Bücher