Die Arche
Eindruck gewinnen, als
würde es gezielt ausgelöscht.
Die Wölfe waren das fehlende Steinchen im Mosaik, die Macht,
die für die Ausrottung verantwortlich war. Unerbittliche,
unendlich geduldige Maschinen, die auftauchten, sobald sich irgendwo
Intelligenz bemerkbar machte, und sie in einem grässlichen
Inferno vernichteten. Nur sie allein bewachten das All und sorgten
dafür, dass in der Galaxis grenzenlose Stille und Einsamkeit
herrschte.
Sie waren die Antwort. Es fehlte jedoch die Erklärung, warum
sie so handelten.
»Aber warum?«, fragte Felka den Wolf. »Was ihr tut,
ergibt keinen Sinn. Wenn euer Hass auf das Leben so groß ist,
warum räumt ihr dann nicht ein für allemal damit
auf?«
»Ein für allemal?«, fragte der Wolf belustigt. Es
klang, als wollte er hören, wie sie sich das vorstellte.
»Ihr könntet jede Welt in der Galaxis vergiften oder
zerschlagen. Aber man könnte meinen, ihr hättet nicht den
Mut, das Leben endgültig auszulöschen.«
Ein tiefer Seufzer, langsam und grollend wie eine Felslawine.
»Es geht nicht darum, das intelligente Leben
auszulöschen«, sagte der Wolf.
»Nein?«
»Ganz im Gegenteil, Felka. Es geht darum, das Leben zu
bewahren. Wir sind seine Hüter, wir sollen es durch seine
größte Krise steuern.«
»Aber ihr seid Mörder. Ihr rottet ganze Zivilisationen
aus.«
Der Wolf verschwamm und wurde wieder sichtbar. Dann antwortete er
mit einer Stimme, die Galianas Stimme zum Verwechseln ähnlich
war. »Die Güte muss manchmal grausam sein, Felka.«
* * *
Nach Galianas Tod ließ Clavain sich kaum noch blicken. Bis
zu den untersten Rängen von Scorpios Armee herrschte
stillschweigendes Einvernehmen darüber, ihn nur in den
allerdringendsten Fällen oder bei extrem wichtigen und das ganze
Schiff betreffenden Angelegenheiten zu stören. Ob Clavain selbst
diese Anweisung erteilt hatte, oder ob sie auf das Konto seiner
direkten Stellvertreter ging, wurde nie ganz klar. Wahrscheinlich
wirkte beides zusammen. Wie ein Gespenst durchstreifte er, hin und
wieder sichtbar, aber nur selten zu hören, die Gänge der Zodiakallicht, wenn alle anderen schliefen. Wenn das Schiff
unter hoher Schwerkraft stand, hörte man manchmal die schweren
rhythmischen Schritte seines Exoskeletts auf den Decksplanken.
Clavain selbst machte sich rar.
Man munkelte, er verbringe viele Stunden in der Aussichtskuppel
und starre wie gebannt nach hinten in die Sternenlose Finsternis. Wer
ihn sah, berichtete, er sehe viel älter aus als zu Beginn der
Reise, so als lebe er nicht in der träge dahinfließenden
Schiffszeit, sondern würde vom schnelleren Strom der Weltzeit
mitgerissen. Es hieß, er habe sich bereits vom Leben
verabschiedet und absolviere nur noch mühsam und ohne mit dem
Herzen dabei zu sein eine letzte, unangenehme Pflicht.
Man verstand, ohne die Einzelheiten bis ins Letzte zu kennen, dass
Clavain unter einer privaten Entscheidung litt, die ihn bis ins Mark
erschüttert hatte. Einige Besatzungsmitglieder wussten, dass
Galiana schon lange vorher ›gestorben‹ war. In ihren Augen
hatte Clavain nur den Schlussstrich unter dieses Ereignis gezogen.
Doch andere erkannten, dass es wesentlich schlimmer war. Bis dahin
war Galianas Tod nur vorläufig gewesen. Die Synthetiker hatten
sie im Kälteschlaf gehalten, um sie vielleicht doch eines Tages
vom Wolf befreien zu können. Das war zwar mehr als
unwahrscheinlich, aber Clavain hatte wohl tief in seinem Innern die
leise Hoffnung nie aufgegeben, dass die Galiana, der seit jener
längst vergangenen Begegnung auf dem Mars seine Liebe
gehörte, geheilt und verjüngt zu ihm zurückkehren
würde. Nun hatte er diese Hoffnung mit eigener Hand für
immer zerstört. Zwar sollte Felkas Einfluss bei seiner
Entscheidung eine große Rolle gespielt haben, aber letztlich
lag die Verantwortung doch bei Clavain. Das Blut dieses Gnadenakts
klebte an seinen Händen.
Der Schiffsbetrieb wurde durch Clavains Abwesenheit weniger
beeinträchtigt, als man glauben mochte; er hatte bereits
früher viele Aufgaben delegiert, so dass die
Kriegsvorbereitungen auch ohne sein ständiges Eingreifen glatt
und zügig vorangingen. Die automatischen Fertigungsstraßen
liefen auf Hochtouren und spuckten unermüdlich Waffen und
Panzerungen aus. Der Rumpf der Zodiakallicht starrte von
Defensivwaffen. Scorpios Armee wurde durch strammes Exerzieren zu
einer Streitmacht von tödlicher Schlagkraft umgeformt, und mit
der Zeit begriffen die Schweine, dass sie viele ihrer einstigen
Erfolge
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