Die Arche
Lichtschiffprojektion zu. »Und jetzt
müssen sie mich entschuldigen… ich habe ziemlich viel zu
tun.«
Kapitel 33
»Ilia. Wach auf.«
Khouri stand an Ilias Bett und beobachtete die Neuraldiagnostik,
um zu sehen, ob Volyova ins Bewusstsein zurückkehrte. Sie konnte
nicht ausschließen, dass ihre Freundin gestorben war – es
gab so gut wie keine sichtbaren Lebenszeichen –, aber die
Diagnostiken sahen noch mehr oder weniger aus wie vor Khouris Ausflug
in den Geschützpark.
»Kann ich helfen?«
Khouri drehte sich erschrocken um und sah verlegen, dass der
Gitterservomat sie angesprochen hatte.
»Clavain…«, sagte sie. »Ich dachte, Sie
wären nicht mehr aktiv.«
»Bis eben war ich auch noch abgeschaltet.« Der Servomat
trat aus den Schatten und stellte sich gegenüber von Khouri an
das Bett. Dann beugte er sich über einen der plumpen
Maschinenkolosse und drehte an den Schaltern herum.
»Was machen Sie da?«, fragte Khouri.
»Ich hole sie ins Bewusstsein zurück. Das wollten Sie
doch?«
»Ich… ich weiß nicht, ob ich Ihnen vertrauen oder
Sie in Stücke schlagen soll«, sagte Khouri.
Der Servomat trat zurück. »Natürlich dürfen
Sie mir nicht vertrauen, Ana. Mein oberstes Ziel ist, Sie zur
Herausgabe der Geschütze zu überreden. Ich kann keine
Gewalt anwenden, aber ich kann Sie mit Falschinformationen
manipulieren.« Er holte etwas unter dem Bett hervor und warf es
ihr mit einer fließenden Bewegung zu.
Es war eine Brille mit Kopfhörer. Khouri fing sie auf. Sie
war abgegriffen und verfärbt wie ganz gewöhnliches
Schiffszubehör. Sobald sie sie aufsetzte, verschwand die
Gittergestalt, und Clavain erschien. Aus den Kopfhörern kam eine
menschlich warme, wohlklingende Stimme.
»So ist es besser«, sagte er.
»Wer hat Sie eingeschaltet, Clavain?«
»Ilia hat mir einiges über ihren Captain
erzählt«, sagte der Servomat. »Ich habe ihn weder
gesehen noch gehört, aber ich glaube, er benutzt mich. Er
aktivierte mich, als Ilia verletzt wurde, so dass ich ihr helfen
konnte. Aber ich bin nur eine Beta-Kopie. Zwar verfüge ich
über Clavains Fachwissen, und Clavain hat eine solide
medizinische Ausbildung, aber dafür hätte der Captain
vermutlich viele Quellen, einschließlich seiner eigenen
Erinnerungen. Daher bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Captain
nicht direkt eingreifen möchte und deshalb mich zu seinem
Mittelsmann erkoren hat. Ich bin mehr oder weniger seine
Marionette.«
Khouri hätte ihm gern widersprochen, aber Clavain gab ihr
keinen Anlass zu unterstellen, er löge oder halte eine
plausiblere Erklärung zurück. Der Captain war nur aus
seinem Schneckenhaus herausgekommen, um seinen Selbstmord zu
inszenieren. Als er damit gescheitert war und Ilia sich so schwer
verletzt hatte, war er in eine noch tiefere Psychose gefallen. Sie
wagte nicht zu entscheiden, ob er Clavain nicht eher als Waffe denn
als Marionette benutzte.
»Was muss ich Ihnen in diesem Fall zutrauen?«
Khouri schaute von Clavain zu Volyova. »Könnten Sie sie
töten?«
»Nein.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Das
würden Ihr Schiff oder Ihr Captain nicht zulassen, davon bin ich
überzeugt. Und ich würde auch nicht im Traum daran denken
– ich bin kein kaltblütiger Mörder, Ana.«
»Sie sind nur ein Computerprogramm«, sagte sie.
»Und Computerprogramme sind zu allem fähig.«
»Ich werde sie nicht töten, das verspreche ich Ihnen.
Ich will diese Geschütze haben, weil ich an die Menschheit
glaube. Aber ich bin nicht der Meinung, dass der Zweck die Mittel
heiligt. Weder in diesem verdammten Krieg, noch in einem der vielen
anderen, an denen ich teilgenommen habe. Wenn ich töten muss, um
zu bekommen, was ich will, werde ich es tun. Aber erst, nachdem ich
alle Hebel in Bewegung gesetzt habe, um es zu vermeiden. Sonst
wäre ich nicht besser als die anderen Synthetiker.«
Vom Bett her ließ sich Ilia Volyova vernehmen: »Was
wollen Sie eigentlich mit den Geschützen, Clavain?«
»Die gleiche Frage könnte ich Ihnen stellen.«
»Verdammt, sie gehören mir.«
Khouri sah auf Volyova nieder. Sie schien noch ebenso tief zu
schlafen wie fünf Minuten zuvor.
»Genau genommen gehören sie Ihnen nicht«,
widersprach Clavain. »Sie sind immer noch Eigentum der
Synthetiker.«
»Warum haben Sie sich denn so verdammt viel Zeit gelassen, um
sie zurückzufordern?«
»Ich bin nicht derjenige, der sie zurückfordert, Ilia.
Ich bin der nette Mann, der sie davon befreien möchte, bevor die
bösen Buben kommen.
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