Die Arche
diebisches Vergnügen, ohne
Begleitung unterwegs zu sein.
Wie bei ihren früheren Besuchen war die große Halle
unbeleuchtet, und es herrschte Schwerelosigkeit. Khouri hielt die
Kabine auf Schleusenhöhe an und zwängte sich in einen
Raumanzug mit Rucksackantrieb. Nach wenigen Augenblicken atemloser
Spannung öffnete sich die Schleuse, und sie schwebte mit einem
Schubstoß ins Dunkel hinein. Die Weltraumgeschütze waren
ihr so unheimlich wie eh und je, aber sie zwang sich, ihre Angst zu
unterdrücken. Sie schaltete das Navigationssystem des Anzugs ein
und wartete, bis es die Transponder-Signale des Geschützparks
gefunden hatte. Graugrüne Symbole erschienen auf der Innenseite
ihres Visiers. Die angegebenen Abstände variierten zwischen
zwanzig und etlichen hundert Metern. Das Einschienensystem
unterteilte den Raum mit scharfen dünnen Linien in verschiedenen
Winkeln. Einige Weltraumgeschütze waren immer noch vorhanden.
Nur nicht so viele, wie sie erwartet hatte.
Vor ihrer Abreise nach Resurgam waren es dreiunddreißig
gewesen. Acht hatte Volyova abgesetzt, bevor der Captain seinen
Selbstmordversuch unternahm. Demnach müssten noch
fünfundzwanzig übrig sein, doch Khouri sah sofort, dass die
Zahl der Symbole geringer war. Sie zählte die Punkte auf ihrem
Visier, flog tiefer in den Raum hinein, für den Fall, dass die
Transponder nicht richtig funktionierten, und zählte noch
einmal. Doch ihr erster Verdacht bestätigte sich. An Bord der Sehnsucht nach Unendlichkeit befanden sich nur noch dreizehn
Weltraumgeschütze. Zwanzig von den verdammten
Höllenmaschinen waren unauffindbar.
Allerdings hatte sie eine ziemlich genaue Vorstellung, wo man
danach suchen musste. Acht befanden sich irgendwo außerhalb des
Schiffes, und das Gleiche galt für die zwölf anderen, die
einfach verschwunden waren und nun – vermutlich – am
anderen Ende des Sonnensystems zumindest für einen Teil des
Feuerwerks sorgten, das sie vom Shuttle aus beobachtet hatte.
Volyova – oder jemand anderer – hatte mit diesen
zwölf Weltraumgeschützen den Kampf gegen die
Unterdrücker eröffnet.
Wer aus der Schlacht als Sieger hervorgehen würde, stand
völlig offen.
* * *
Erkenne deinen Feind, dachte Clavain.
Nur hatte er keine Ahnung, wer sein Feind war.
Er saß allein und tief in Gedanken versunken auf der
Brücke der Zodiakallicht. Mit seinen halb geschlossenen
Augen und den tiefen Sorgenfalten auf der Stirn erinnerte er an einen
Schachgroßmeister, der im Begriff war, den wichtigsten Zug
seiner ganzen Laufbahn zu machen. Hinter den dachförmig
zusammengelegten Fingern schwebte eine Projektion: ein
vielschichtiges Bild des Lichtschiffes, auf dem sich die lang
verlorenen Weltraumgeschütze befanden.
Er rief sich in Erinnerung, was Skade ihm damals im Mutternest
erzählt hatte. Eine geschlossene Indizienkette wies darauf hin,
dass dieses Schiff die Sehnsucht nach Unendlichkeit war und
wahrscheinlich von einer Frau namens Ilia Volyova kommandiert wurde.
Skade hatte ihm sogar ein Bild von ihr gezeigt. Aber selbst wenn er
die Indizien richtig deutete und tatsächlich mit Volyova
verhandeln musste, konnte er ihnen nichts weiter entnehmen. Eine
zuverlässige Grundlage war nur, was er mit seinen eigenen
künstlich verlängerten Sinnen in der Gegenwart in Erfahrung
bringen konnte.
In der Projektion wurden alle wichtigen militärischen
Erkenntnisse über das feindliche Schiff zu einem Ganzen
zusammengefügt. Da die informationssammelnden Systeme der Zodiakallicht ihre Prognosen immer weiter verbesserten, waren
die Schichten des Bildes in ständiger Veränderung
begriffen. Leistungsstarke Interferometer kitzelten das
elektromagnetische Profil des Schiffs über das gesamte Spektrum
von weichen Gammastrahlen bis zu niederfrequenten Radiostrahlen
heraus. Doch auf allen Wellenlängen war die Rückstreuung so
verwirrend, dass die Auswertungssoftware abstürzte oder die
unsinnigsten Ergebnisse lieferte. Bei jeder neuen absurden
Interpretation musste Clavain in die Programmierung eingreifen. Aus
irgendeinem Grund beharrte das System darauf, das Raumschiff gleiche
einer bizarren Mischung aus Schiff, Kathedrale und Seeigel. Clavain
fand unter alledem eine akzeptable Raumschiffkonstruktion und
versuchte immer wieder, die Software von ihren exotischen
Lösungsvorschlägen abzubringen. Er hatte nur eine
Erklärung. Vielleicht hatte sich das Lichtschiff zur Tarnung mit
einer Hülle aus unbekanntem Material umgeben, einer Art
Verdunklungswolke, wie sie die
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