Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
gar nicht
das Monster, für das man sie auf dem Planeten hält.«
Antoinette bemühte sich, ihre Stimme ebenso ruhig und gefasst
klingen zu lassen. Sie umkreisten alle beide ein düsteres
Geheimnis, ein Schwarzes Loch, das keiner ansprechen wollte.
»Ich schätze, sie hat es früher ziemlich wüst
getrieben.«
    »Damit wären wir schon zu zweit«, sagte Merrick.
»Antoinette, ich weiß, was dir auf der Seele brennt. Aber
du darfst dir meinetwegen keine Sorgen machen.«
    »Sie hält dich einfach nur für ein Schiff, Lyle.
Und niemand will ihr die Wahrheit sagen, weil wir so ganz auf ihren
guten Willen angewiesen sind. Aber es würde wohl ohnehin nichts
ändern…« Antoinette verstummte. Sie war traurig und
hasste sich selbst dafür. »Du wirst endlich sterben, nicht
wahr? So wie du schon vor vielen Jahren hättest sterben
müssen, wenn Dad und Xavier dir nicht geholfen
hätten.«
    »Ich habe es verdient, Antoinette. Ich habe schwere Schuld
auf mich geladen und mich dann der gerechten Strafe
entzogen.«
    »Aber Lyle…« Antoinette begannen die Augen zu
brennen. Nun kamen ihr auch noch die Tränen, dumme,
unvernünftige Tränen, für die sie sich verachtete. Sie
hatte ihr Schiff zuerst geliebt und dann gehasst – gehasst wegen
der Lüge, in die es ihren Vater hineingezogen hatte, der
Lüge, die man ihr erzählt hatte; dann hatte sie es wieder
lieben gelernt, weil das Schiff selbst und Lyle Merricks Geist, der
darin wohnte, ein festes Band zu ihrem verstorbenen Vater
knüpften. Und nachdem sie sich nun mit den Gegebenheiten
arrangiert hatte, wurde das Messer erneut herumgedreht. Was sie
lieben gelernt hatte, wurde ihr genommen, diese Hexe Volyova entriss
ihr die letzte Verbindung zu ihrem Vater…
    Warum musste das Leben immer so schwierig sein? Sie hatte doch nur
darauf bestanden, ihr Gelübde zu erfüllen.
    »Antoinette?«
    »Wir könnten dich ausbauen«, sagte sie. »Aus
dem Schiff entfernen und durch eine gewöhnliche
Unterpersönlichkeit ersetzen. Volyova bräuchte nichts davon
zu erfahren.«
    »Nein, Antoinette. Auch meine Zeit ist gekommen. Wenn sie
nach Ruhm und Erlösung strebt, fällt vielleicht auch
für mich etwas davon ab?«
    »Du hast schon so viel getan. Ein so großes Opfer ist
nicht erforderlich.«
    »Aber die Entscheidung liegt immer noch bei mir. Und das
willst du mir doch wohl nicht nehmen?«
    »Nein«, sagte sie, und die Stimme brach ihr. »Nein,
das kann ich dir nicht nehmen. Und ich würde es auch nicht
tun.«
    »Versprichst du mir etwas, Antoinette?«
    Sie rieb sich die Augen, schämte sich ihrer Tränen und
war zugleich von einem seltsamen Jubel erfüllt. »Was,
Lyle?«
    »Was immer geschieht, gib auch weiterhin gut auf dich
Acht.«
    Sie nickte. »Versprochen.«
    »Das ist gut. Nun will ich noch eines loswerden, bevor sich
unsere Wege für immer trennen. Ich kann die Evakuierung auch
allein zu Ende bringen. Genauer gesagt, ich weigere mich
ausdrücklich, dich weiterhin in Gefahr zu bringen. Du kannst
nicht an Bord bleiben. Wie hört sich das an? Ein richtiger
Befehl, nicht wahr? Jetzt bist du beeindruckt. Das hättest du
mir sicher nicht zugetraut?«
    »Nein, Schiff.« Sie musste unwillkürlich
lächeln.
    »Ein allerletztes Wort, Antoinette. Es war mir eine Freude,
dir zu dienen. Eine Freude und eine große Ehre. Und jetzt bitte
geh und suche dir ein anderes Schiff – wenn möglich ein
größeres und besseres –, auf dem du das Kommando
übernehmen kannst. Du wirst bestimmt ein ausgezeichneter
Captain.«
    Sie stand auf. »Ich werde mein Bestes tun. Das verspreche ich
dir.«
    »Daran zweifle ich nicht.«
    Sie ging zur Tür. An der Schwelle zögerte sie noch
einmal. »Leb wohl, Lyle«, sagte sie.
    »Leb wohl, Kleine Miss.«

 
Kapitel 40

     
     
    Als sie ihn aus dem offenen Tank zogen wie aus dem
Mutterschoß, zitterte er wie ein Mann, den man im Winter vor
dem Ertrinken gerettet hatte. Die Gesichter, die sich über ihn
beugten, wurden scharf, doch zunächst erkannte er keines. Jemand
warf ihm eine wattierte Thermodecke um die schmalen Schultern. Alle
sahen ihn schweigend an. Sie ahnten wohl, dass er für ein
Gespräch nicht in Stimmung war und sich lieber allein
zurechtfinden wollte.
    Clavain saß mehrere Minuten lang auf dem Rand des Tanks, bis
er genügend Kraft in den Beinen spürte, um durch den Raum
zu humpeln. Im letzten Augenblick stolperte er, kaschierte den Sturz
aber elegant und tat so, als wolle er sich nur gegen den Rahmen des
gepanzerten Sichtfensters lehnen. Dann spähte er

Weitere Kostenlose Bücher