Die Arche
alles. Es gibt in diesem Gremium so viele verschiedene
Schichten. Ich hatte nie Zugang zu den Geheimnissen des
Allerheiligsten, und man lässt mich schon seit Jahren nicht mehr
in die Nähe von Informationen, die nur dem Inneren Konzil
vorbehalten sind.« Sie tippte sich mit dem Messer an die
Schläfe. »Einige Mitglieder verlangen sogar, ich solle
meine einschlägigen Erinnerungen unwiderruflich löschen
lassen, damit ich vergesse, was ich in meinen aktiven Konzilsjahren
erfahren habe. Das Einzige, was sie noch zurückhält, ist
meine ausgefallene Hirnstruktur. Sie könnten nie sicher sein, ob
sie nicht die falschen Erinnerungen gelöscht
hätten.«
»Immerhin ein Silberstreif am Horizont.«
Sie nickte. »Aber es gibt eine Lösung, Clavain. Und
eigentlich ist sie sogar ganz einfach.«
»Nämlich?«
»Du bräuchtest dem Inneren Konzil nur selbst
beizutreten.«
Clavain seufzte und suchte nach einer Ausrede, aber selbst wenn er
eine fände, würde Felka sie ihm wahrscheinlich nicht
abkaufen. »Könnte ich vielleicht noch einen Schluck von
deinem Tee bekommen?«
* * *
Skade schritt durch die gewundenen grauen Korridore des
Mutternests. Ihr feuerrot leuchtender Mähnenkamm verriet, dass
sie nicht nur geistig aktiv, sondern auch sehr aufgebracht war. Sie
war auf dem Weg in den Ratssaal, wo sich auf ihr Betreiben Remontoire
und eine beschlussfähige Mehrheit von Mitgliedern des Inneren
Konzils zu einer persönlichen Aussprache versammelt hatten.
Ihr Bewusstein arbeitete fast an der Grenze seiner
Leistungsfähigkeit. Es würde eine schwierige Sitzung
werden, vielleicht die schwierigste überhaupt in ihrer Kampagne
zur Anwerbung Clavains, und sie überlegte, wie sie die Debatte
steuern konnte. Die meisten Angehörigen des Inneren Konzils
waren wie Wachs in ihren Händen, aber einige machten ihr Sorgen,
eine kleine Minderheit, für die sie mehr Überzeugungsarbeit
würde leisten müssen als gewöhnlich.
Daneben prüfte sie eine Zusammenstellung der letzten
Messwerte der geheimen Systeme, die sich im Innern der Nachtschatten befanden. Die Zahlen wurden über das
Notepad, das wie ein Panzer über ihrem Unterleib lag, in ihr
Gehirn eingespeist, und sie waren durchaus erfreulich.
Umfangreicheren Tests stand nichts mehr im Wege außer der
Notwendigkeit, die Entdeckung geheim zu halten. Dem Baumeister hatte
sie die gute Nachricht bereits zukommen lassen, damit er auch die
letzten technischen Verbesserungen für die Exodus-Flotte
übernehmen konnte.
Obwohl mit diesen beiden Komplexen schon große Bereiche
ihres Bewusstseins gebunden waren, spielte sie obendrein noch die
Aufzeichnung einer Nachricht vom Ferrisville-Konvent ab, die vor
kurzem eingegangen war.
Es ging um eine unerfreuliche Angelegenheit.
Der Sprecher schwebte vor Skade und bewegte sich
rückwärts in die gleiche Richtung wie sie, ohne mit den
Füßen den Boden zu berühren. Sie ließ die
Aufzeichnung mit zehnfacher Geschwindigkeit laufen, so dass der Mann
wie ein Tobsüchtiger gestikulierte.
»Dies ist ein formelles Auslieferungsersuchen an einen
Vertreter der Synthese«, sagte der Sprecher des Konvents.
»Dem Ferrisville-Konvent ist bekannt, dass in der Nähe des Umstrittenen Abschnitts um den Gasriesen ein
Demarchisten-Schiff von einem Schiff der Synthetiker abgefangen und
geentert wurde…«
Skade ging auf schnellen Vorlauf. Sie hatte die Nachricht bereits
achtzehn Mal abgespielt und suchte nur noch nach kleinen Hinweisen
auf einen Täuschungsversuch. Als Nächstes kam eine
unerträglich langweilige Aufzählung von juristischen
Klauseln und Konventsstatuten, die sie alle bereits
überprüft hatte und als wasserdicht anerkennen musste.
»… Maruska Chung, die Schiffsführerin des
Demarchisten-Schiffes, hatte ohne Wissen der Synthetiker-Partei
bereits in aller Form Kontakt mit Vertretern des Ferrisville-Konvents
aufgenommen, um einen Gefangenen in unsere Obhut überführen
zu lassen. Besagter Gefangener war auf einem Militärasteroiden
im demarchistischen Hoheitsraum festgenommen worden und befand sich
auf dem Demarchisten-Schiff in sicherem Gewahrsam. Gemäß
Paragraph…«
Den nächsten Floskelschwall überspielte sie wiederum im
schnellen Vorlauf.
»… gegen besagten Gefangenen, ein Hyperschwein, das dem
Ferrisville-Konvent unter dem Namen ›Scorpio‹ bekannt ist,
wird bereits wegen der folgenden Verstöße gegen die
allgemeine Notstandsverordnung Generalstatut Nummer…«
Sie ließ die Nachricht noch einmal ablaufen, ohne etwas zu
entdecken,
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