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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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absetzen zu lassen
und die letzte Etappe auf dem Landweg zurückzulegen.
    Der Ort hieß Audubon und bestand aus einer Ansammlung von
Lagerhäusern, Baracken und Kuppeln, die von Slev-Linien,
Fracht-Pipelines und Straßen durchzogen wurden. Am Rand ragten
Andockmasten für Luftschiffe wie filigrane Finger in den
schiefergrauen nördlichen Himmel. Aber heute war nirgendwo ein
Luftschiff vertäut, und es gab auch keine Anzeichen dafür,
dass in letzter Zeit eines hier angekommen wäre.
    Das Flugzeug hatte Vuilleumier auf einem betonierten Landestreifen
zwischen zwei Lagerhäusern abgesetzt. Der Beton war uneben und
rissig. Sie überquerte ihn mit schnellen Schritten. Unter ihren
Stiefeln raschelte das borstige, resurgam-taugliche Gras, das sich da
und dort büschelweise durch die Sprünge geschoben hatte.
Einigermaßen beklommen sah sie dem Flugzeug nach, das nach
Cuvier zurückflog, um den anderen Regierungsbeamten zur
Verfügung zu stehen. Es würde sie erst auf Anforderung
wieder abholen.
    »Nichts wie hin und schnell wieder weg«, murmelte sie
vor sich hin.
    Sie war von einigen Arbeitern beobachtet worden, die in der
Nähe zu tun hatten, aber so weit von Cuvier entfernt wurden die
Aktivitäten der Inquisitionsbehörde nicht mehr mit allzu
großem Interesse verfolgt. Die meisten Leute würden
richtig vermuten, dass sie von der Regierung kam, obwohl sie
Zivilkleidung trug, aber sie würden nicht sofort erraten, dass
sie einem Kriegsverbrecher auf der Spur war. Ebenso gut könnte
sie als Polizeibeamtin oder einfache Inspektorin von einer der vielen
Regierungsbürokratien entsandt worden sein, um sich zu
vergewissern, das keine Gelder veruntreut wurden. Mit einer
bewaffneten Eskorte – einem Servomaten oder einem Wachtrupp
– hätte sie sicher mehr Aufsehen erregt. So vermieden es
die Leute zwar geflissentlich, ihr in die Augen zu sehen, aber sie
erreichte die Fernfahrerkneipe, ohne behelligt zu werden.
    Sie trug schlichte dunkle Kleidung und darüber einen langen
Mantel, wie man ihn früher geschätzt hatte, als die
Schmirgelstürme noch häufiger waren. Der Kragen hatte unter
dem Kinn eine Tasche für die Atemmaske. Schwarze Handschuhe und
ein kleiner Rucksack für persönliche Dinge
vervollständigten das Bild. Das glänzend schwarze Haar war
zu einem Bubikopf mit langem Pony geschnitten und fiel ihr
gelegentlich ins Gesicht. Darunter ließ sich ohne weiteres ein
Radiosender mit Kehlkopfmikrofon und Hörmuschel verbergen, den
sie aber nur benutzen wollte, um das Flugzeug anzufordern. Bewaffnet
war sie mit einer kleinen Boser-Pistole aus Ultra-Beständen, das
dazugehörige Visier trug sie in Form einer Kontaktlinse
über einem Auge. Aber die Waffe sollte ihr nur ein Gefühl
der Sicherheit geben. Sie rechnete nicht damit, von ihr Gebrauch
machen zu müssen.
    Die Kneipe, ein zweistöckiges Gebäude, überspannte
die Durchgangsstraße nach Solnhofen. Hier polterten in
unregelmäßigen Abständen riesige Sattelschlepper mit
Ballonreifen vorbei, an deren hochgelegten Achsen wie überreife
Früchte Frachtcontainer aus Wellblech hingen. Die Fahrer
saßen ganz vorne in belüfteten Kabinen, die an
Doppelgelenkarmen aufgehängt waren und zum Aussteigen auf
Bodenniveau abgesenkt oder bis zu den hoch über der Straße
befindlichen Zugangsschleusen der Kneipe angehoben werden konnten.
Jedem bemannten Fahrzeug folgten gewöhnlich drei oder vier
Robottransporter, denn man wagte nicht, die Maschinen ganz allein auf
lange Fahrten über Land zu schicken.
    Die Kneipe hatte schon bessere Tage gesehen. Innen war alles von
einer schmierigen Fettschicht überzogen, so dass die
Inquisitorin sich hütete, ihre Handschuhe abzulegen. Sie
näherte sich einem Tisch mit Fernfahrern, die über ihre
Arbeitsbedingungen schimpften. Auf dem Tisch standen die Reste
verschiedener Mahlzeiten und mehr oder weniger volle Becher mit
Kaffee. Eine Zeitung aus schlechtem Papier zeigte das neueste
Künstlerporträt des Revolutionärs Thorn und
zählte seine jüngsten Verbrechen gegen das Volk auf. Thorns
Kopf war von einem ringförmigen Kaffeefleck umrahmt wie von
einem Heiligenschein.
    Erst nach mehreren Minuten, zumindest schien es ihr so, ließ
sich endlich einer der Fahrer herbei, sie anzusehen und ihr
zuzunicken.
    »Mein Name ist Vuilleumier«, sagte sie. »Ich
brauche eine Fahrgelegenheit nach Solnhofen.«
    »Vuilleumier?«, fragte ein anderer. »Wie
in…?«
    »Denken Sie, was sie wollen. Der Name ist auf Resurgam nicht so selten.«
    Der Fahrer

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