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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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räusperte sich. »Solnhofen«, sagte er
skeptisch, als wäre ihm der Ort kaum bekannt.
    »Ja, Solnhofen. Eine kleine Ansiedlung an dieser
Straße. Genauer gesagt, die erste, auf die sie stoßen,
wenn Sie von hier aus länger als fünf Minuten weiter
fahren. Sie könnten sogar schon das eine oder andere Mal
durchgekommen sein.«
    »Solnhofen liegt etwas abseits meiner Route, meine
Liebe.«
    »Tatsächlich? Komisch. Ich dachte immer, was Sie Ihre
Route nennen, wäre eine mehr oder weniger gerade Linie, die
mitten durch Solnhofen führt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass
etwas ›abseits‹ davon liegen könnte, es sei denn, wir
verabschieden uns von der Vorstellung, überhaupt auf einer
Straße zu sein.« Sie fischte etwas Geld aus der Tasche und
wollte es schon zwischen die schmutzigen Teller auf den Tisch legen,
doch dann besann sie sich eines Besseren. Sie behielt die knisternden
Scheine in ihrer lederbehandschuhten Hand und wedelte den Fahrern nur
damit vor der Nase herum. »Ich mache Ihnen hiermit folgendes
Angebot: der Fahrer, der sich bereiterklärt, mich nach Solnhofen
zu bringen, bekommt die Hälfte davon sofort, ein weiteres
Viertel, wenn wir innerhalb der nächsten dreißig Minuten
aufbrechen, und den Rest, wenn wir vor Sonnenaufgang in Solnhofen
sind.«
    »Ich könnte Sie schon mitnehmen«, sagte einer der
Männer. »Aber zu dieser Jahreszeit ist das nicht so
einfach. Ich glaube, ich…«
    »Das Angebot steht und ist nicht verhandelbar.« Sie
hatte sich vorgenommen, sich auf keinen Fall anzubiedern. Hier konnte
sie ohnehin nur auf Ablehnung stoßen, das hatte sie schon
gewusst, bevor sie einen Fuß in die Kneipe setzte. Sie roch auf
eine Meile gegen den Wind nach Regierung, und wenn man von
materiellen Überlegungen einmal absah, war eigentlich kein
Fahrer scharf darauf, die ganze Fahrt bis nach Solnhofen mit ihr in
einer Kabine zu sitzen. Im Grunde konnte sie das sogar verstehen.
Regierungsbeamte jeglicher Couleur verursachten jedem
Durchschnittsbürger eine Gänsehaut.
    Wäre sie nicht die Inquisitorin gewesen, sie hätte sich
vor sich selbst gefürchtet.
    Das Geld wirkte freilich Wunder, und zwanzig Minuten später
saß sie hoch oben im Führerhaus eines Sattelschleppers,
und die Lichter von Audubon blieben hinter ihr zurück. Der
Schlepper war nur mit einem einzigen Container beladen, und durch das
geringe Gewicht federten die haushohen Räder so stark, dass sie
wie in einer Wiege geschaukelt wurde. In der Kabine war es warm und
ruhig, und der Fahrer spielte lieber Musik, als sie in ein
belangloses Gespräch zu verwickeln. Sie hatte ihn ein paar
Minuten lang beobachtet und dabei festgestellt, dass er kaum
einzugreifen brauchte, um den Schlepper auf der Straße zu
halten. Wären die Gewerkschaften nicht gewesen, man hätte
wahrscheinlich ganz auf einen menschlichen Fahrer verzichten
können. Nur ganz selten kam ihnen ein anderer Schlepper oder gar
ein Schlepperzug aus der Dunkelheit entgegengebraust, die meiste Zeit
schienen sie ganz allein auf der Welt zu sein.
    Sie hatte die Zeitung mit dem Artikel über Thorn auf dem
Schoß liegen und las ihn mehrmals durch. Je öfter ihre
Augen über die langweiligen Absätze stolperten, desto
schläfriger wurde sie. Thorn und seine Anhänger wurden als
gewalttätige Terroristen geschildert, die nur deshalb wie
besessen gegen die Regierung agitierten, um die Kolonie in die
Anarchie stürzen zu können. Thorns erklärtes Ziel, mit
dem Schiff des Triumvirs den Planeten Resurgam zu evakuieren, wurde
nur beiläufig erwähnt. Die Inquisitorin hatte seine
Aussagen allerdings oft genug gelesen, um seine Ansichten zu kennen.
Seit Sylvestes Tagen hatte noch jede Regierung den Verdacht
heruntergespielt, die Kolonie wäre womöglich nicht sicher
und könnte ebenso der Vernichtung anheim fallen wie fast eine
Million Jahre zuvor die Amarantin. Im Lauf der Zeit und besonders in
den finsteren Jahren nach dem Zusammenbruch des Girardieu-Regimes war
der Gedanke, die Kolonie könnte durch eine unvorhergesehene
Naturkatastrophe zerstört werden, stillschweigend aus der
öffentlichen Diskussion verdrängt worden. Jede
Erwähnung der Amarantin oder gar ihres Schicksals genügte,
um als Unruhestifter gebrandmarkt zu werden. Dabei hatte Thorn
völlig Recht. Die Gefahr mochte nicht akut sein, aber sie war
ganz sicher nicht sang- und klanglos verschwunden.
    Richtig war, dass er Angriffe gegen Regierungseinrichtungen
führte, aber gewöhnlich handelte es sich dabei um
chirurgisch saubere

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