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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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und exakt geplante Schläge mit einem Minimum
an zivilen Opfern. Manchmal verfolgte er damit die Absicht, seine
Bewegung an die Öffentlichkeit zu bringen, aber oft genug hatte
er es auch nur auf Regierungseigentum oder Geld abgesehen. Der Sturz
der Regierung war ein wichtiger Schritt in Thorns Plänen, aber
nicht das primäre Ziel.
    Thorn glaubte, dass sich das Schiff des Triumvirs noch im System
befand; außerdem glaubte er, dass die Regierung wusste, wo es
sei, und wie man zu ihm gelangen konnte. Seine Bewegung unterstellte,
die Regierung besäße zwei flugtüchtige
Raumfähren, die imstande wären, auch mehrfach zwischen
Resurgam und der Sehnsucht nach Unendlichkeit hin und her zu
fliegen.
    Sein Plan war folglich ganz einfach. Zuerst wollte er die
Raumfähren ausfindig machen – angeblich stand er bereits
dicht davor. Dann wollte er die Regierung so weit entmachten, dass er
die Schiffe in seine Gewalt bringen konnte. Danach bliebe es der
Bevölkerung überlassen, sich an einen noch zu
vereinbarenden Treffpunkt zu begeben, von dem aus die Fähren zu
regelmäßigen Flügen in den Orbit und wieder
zurück starten sollten. Am Ende stünde vermutlich der
völlige Sturz des derzeitigen Regimes, aber Thorn beteuerte
immer wieder, er gedenke dies mit möglichst wenig
Blutvergießen zu erreichen.
    Von alledem enthielt der von der Regierung autorisierte Artikel
nur sehr wenig. Thorns Ziele wurden unter den Teppich gekehrt und die
Vorstellung, Resurgam könnte bedroht sein, ins Lächerliche
gezogen. Der Mann wurde als geistesgestörter Egomane
dargestellt, und die Zahl der Zivilisten, die bei seinen
Anschlägen ums Leben gekommen waren, stark übertrieben.
    Die Inquisitorin betrachtete das Porträt. Sie war Thorn
persönlich nie begegnet, obwohl sie eine Menge über ihn
wusste. Das Bild hatte nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit mit
der Realität, aber die Innere Sicherheit hatte es dennoch als
glaubwürdig akzeptiert. Sie konnte zufrieden sein.
    »Schade um die Zeit, die sie mit diesem Unsinn
vergeuden«, sagte der Fahrer, als sie endlich richtig eingenickt
war. »Der Kerl ist längst tot.«
    Sie fuhr hoch und blinzelte erschrocken. »Was?«
    »Thorn.« Er wies mit seinem dicken Finger auf die
Zeitung auf ihrem Schoß. »Der da auf dem Bild.«
    Sie fragte sich, ob der Mann absichtlich gewartet hatte, bis sie
schlief. Womöglich trieb er dieses Spielchen mit allen seinen
Fahrgästen, um sich die Zeit zu vertreiben. »Davon ist mir
nichts bekannt«, antwortete sie. »Ich meine, ich habe
nichts in den Zeitungen gelesen, und auch in den Nachrichten wurde
nichts gemeldet…«
    »Die Regierung hat ihn erschossen. Er hatte sich nicht
umsonst Thorn genannt, ein Stachel im Fleisch.«
    »Wie sollte ihn die Regierung erschießen, wenn sie
nicht einmal weiß, wo er ist?«
    »Das wissen die da oben ganz genau. Das ist ja der Witz an
der Sache. Wir sollen nur noch nicht erfahren, dass er tot
ist.«
    »Wer sind ›die da oben‹?«
    »Die Regierung, meine Liebe. Nur nicht den Faden
verlieren.«
    Sie hatte den Verdacht, dass er sie provozieren wollte. Vielleicht
hatte er erraten, dass sie selbst zur Regierung gehörte, aber
vielleicht ahnte er auch, dass sie anderes zu tun hatte als jeden,
der nicht konforme Ansichten vertrat, gleich den Behörden zu
melden.
    »Aber wenn sie ihn erschossen hätten, müssten sie
das doch lauthals herumposaunen«, widersprach sie.
»Schließlich glauben tausende von Menschen, Thorn
würde sie ins Gelobte Land führen.«
    »Schon. Aber noch schlimmer als ein Märtyrer ist ein
toter Märtyrer. Wenn sich erst herumspräche, dass er
wirklich tot ist, gäbe es noch viel mehr Ärger.«
    Sie faltete achselzuckend die Zeitung zusammen. »Ich bin mir
nicht einmal sicher, ob er überhaupt jemals existiert hat.
Vielleicht brauchte die Regierung nur einen fiktiven
Hoffnungsträger, um die Bevölkerung noch besser unter Druck
setzen zu können. Sie glauben doch auch nicht an alles, was man
so über ihn erzählt?«
    »Dass er nach einem Weg sucht, uns von Resurgam
wegzuführen? Nein. Obwohl ich nichts dagegen hätte. Dann
würden wir endlich all die Nörgler und Quengler
los.«
    »Ist das ihre ehrliche Meinung? Dass nur Nörgler und
Quengler den Wunsch haben, Resurgam zu verlassen?«
    »Tut mir Leid, meine Liebe. Ich sehe schon, dass sie auch in
diese Schublade gehören. Aber einigen von uns gefällt es
auf diesem Planeten, ob Sie’s glauben oder nicht. Nichts
für ungut!«
    »Schon gut.« Sie lehnte sich zurück und

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