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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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legte sich
die gefaltete Zeitung wie eine Schlafmaske über die Augen. Wenn
der Fahrer das nicht kapierte, dachte sie, war er eben ein
hoffnungsloser Fall.
    Zum Glück hatte er begriffen.
    Diesmal schlief sie tief und fest und träumte von der
Vergangenheit. Nummer Vier hatte Erinnerungen geweckt, die nun an die
Oberfläche drängten. Nicht, dass sie nie mehr an Nummer
Vier gedacht hätte, es war ihr nur die ganze Zeit gelungen, sie
nicht als Person zu sehen. Das wäre zu schmerzhaft gewesen. Sie
hätte dann auch an ihre Ankunft auf Resurgam zurückdenken
müssen und das hätte wiederum ihr anderes Leben
heraufbeschworen, das neben der öden Realität, in der sie
jetzt gefangen war, so unwahrscheinlich anmutete wie ein
fantastischer Roman.
    Doch die Stimme von Nummer Vier war wie eine Falltür in die
Vergangenheit gewesen. Jetzt ließen sich gewisse Dinge nicht
mehr unterdrücken.
    Warum, zum Teufel, hatte Vier sich ausgerechnet jetzt
gemeldet?
    Sie erwachte davon, dass sich das Schaukeln der Kabine
veränderte. Der Fahrer stieß rückwärts in eine
Verladebucht.
    »Sind wir schon da?«
    »Solnhofen Endstation. Nicht gerade das Lichtermeer einer
Großstadt, aber genau da wollten Sie ja hin.«
    Durch eine Ritze in den Lattenwänden des Lagerhauses konnte
sie den Himmel sehen. Er war von einem anämisch blassen Rosa.
Morgendämmerung oder kurz davor.
    »Wir sind ziemlich spät dran«, bemerkte sie.
    »Wir hatten Solnhofen schon vor einer Viertelstunde erreicht,
meine Liebe. Aber sie haben geschlafen wie ein Stein. Ich wollte Sie
nicht wecken.«
    »Ich verstehe.« Unwillig händigte sie ihm den Rest
des Fahrpreises aus.
    * * *
    Remontoire wartete, bis auch die letzten Mitglieder des Inneren
Konzils auf den terrassenförmig ansteigenden Sitzreihen des
Ratssaals Platz genommen hatten. Einige von den Uralten konnten sich
noch aus eigener Kraft zu ihrem Sessel schleppen, aber die meisten
wurden von Servomaten, Exoskeletten oder Schwärmen von schwarzen
daumengroßen Drohnen gestützt. Manche waren dem Ende ihrer
physischen Existenz so nahe, dass sie dem Fleisch nahezu entsagt
hatten. Sie kamen als Köpfe mit Mobilitätsprothesen, die an
Spinnenbeine erinnerten. Bei ein paar war nur noch das Gehirn
übrig, ein Gehirn, das mit Maschinen vollgepfropft und so massiv
angeschwollen war, dass es im Schädel keinen Platz mehr fand,
sondern, von Flüssigkeit umgeben, in einer durchsichtigen Kugel
inmitten pulsierender Versorgungsleitungen schwamm. Bei diesen
extremsten Angehörigen der Synthese waren fast alle geistigen
Aktivitäten im weit gespannten Netz des gemeinschaftlichen
Synthetiker-Bewusstseins aufgegangen. Sie behielten ihr Gehirn nur
aus nostalgischen Gründen, so wie eine Familie zögern
mochte, ihr baufälliges Herrenhaus abzureißen, auch wenn
sie so gut wie nie mehr darin wohnte.
    Remontoire nahm von jedem Neuankömmling eine geistige
Kostprobe. In diesem Raum hatten sich Menschen eingefunden, die er
längst für tot gehalten hatte, Individuen, die nie mit ihm
zusammen an einer Sitzung des Inneren Konzils teilgenommen
hatten.
    Aber heute ging es um Clavain. Das hatte sie alle aus ihren
Schlupflöchern gelockt.
    Er spürte Skades Präsenz, sobald sie den Ratssaal
betrat. Sie stand auf einem Balkon, der sich wie ein Ring auf halber
Höhe um den kugelförmigen Raum zog. Der Ratssaal war
undurchlässig für Neuralbotschaften; wer sich darin
aufhielt, konnte sich ungehindert verständigen, war aber von den
übrigen Bewusstseinen im Mutternest vollkommen abgeschnitten.
Das erlaubte es dem Inneren Konzil, sich bei seinen Versammlungen
viel offener auszutauschen, als es über die üblichen
gesicherten Neuralverbindungen möglich gewesen wäre.
    Remontoire verfasste einen Gedanken und wies ihm eine so hohe
Priorität zu, dass er das allgemeine Geplauder sofort durchdrang
und alle aufhorchen ließ. Wurde Clavain von dieser
Zusammenkunft informiert?
    Skade fuhr herum und fauchte. [Warum sollte er informiert
werden, Remontoire?]
    Remontoire zuckte die Achseln. Ist nicht er es, über den
wir hinter seinem Rücken reden wollen?
    Skade lächelte zuckersüß. [Wenn Clavain bereit
wäre, sich uns anzuschließen, brauchten wir nicht hinter
seinem Rücken über ihn zu reden, nicht wahr? Es ist also
sein Problem, nicht das meine.]
    Remontoire stand auf. Jetzt sahen ihn alle an oder richteten
irgendwelche Sensoren auf ihn. Wer hat etwas von einem Problem
gesagt, Skade? Ich protestiere nur gegen die versteckte Tagesordnung
hinter dieser

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