Die Arche
erstickt. Abgesehen von vereinzelten
späteren Unfällen – wie etwa, als Lyle Merrick seinen
mit Chemieraketen angetriebenen Frachter in das Rad jagte und einen
Krater riss, der noch immer von Sensationstouristen begafft wurde
– hatte das Karussell die Katastrophe vergleichsweise glimpflich
überstanden.
In den Jahren des Wiederaufbaus hatte man hin und wieder versucht,
die nötigen Mittel aufzubringen, um die Nabe zu ersetzen. Doch
es war nie gelungen. Händler und Schiffseigner klagten über
geschäftliche Verluste, weil es so schwierig sei, an der
rotierenden Außenfelge anzulegen. Aber die Bürger hatten
sich an die Schwerkraft gewöhnt und weigerten sich, die Drehung
verlangsamen zu lassen. Schließlich fand man einen Kompromiss,
der keine Seite zufrieden stellte. Die Rotationsgeschwindigkeit wurde
um fünfzig Prozent verringert und damit die Schwerkraft auf der
Außenfelge halbiert. Nun war das Andocken zwar immer noch
schwierig, aber nicht mehr ganz so schwierig wie zuvor.
Außerdem, so die Bürger, würden die Schiffe beim
Abflug tangential ins All geschleudert und bekämen damit einen
kostenlosen Schubs. Sie hätten keinen Grund zur Klage. Die
Piloten waren davon nicht beeindruckt, sondern wiesen darauf hin,
dass sie den Treibstoff, den ihnen dieser Tritt ersparte, schon beim
Anflug verbrannt hätten.
Die ungewöhnlichen Verhältnisse hatten jedoch, wie sich
bald herausstellte, auch unerwartete Vorteile. In den Phasen der
Anarchie, die in den folgenden Jahren nicht selten waren, hatte das
Karussell von Piraten wenig zu befürchten. Besetzer suchten sich
andere Opfer. Und manche Piloten dockten ihre Schiffe ganz bewusst an
der Außenfelge von Copenhagen an, weil sie bestimmte
Reparaturen lieber unter Schwerkraft vornahmen und in den
Werkstätten der anderen Habitats nur im freien Fall gearbeitet
wurde. Vor dem Ausbruch des Krieges war es sogar wieder ein wenig
aufwärts gegangen. Erste Gerüste wuchsen vom Rad nach innen
und ließen schon die Speichen erahnen, denen später eine
neue Nabe folgen sollte.
Auf der Außenfelge gab es tausende von Trockendocks in
vielen Größen und Formen für alle Arten von
größeren interplanetaren Schiffen. Meistens waren sie in
die Felge eingelassen und nach unten zum All hin offen. Schiffe
mussten, gewöhnlich mit Hilfe von Robotschleppern, in ein Dock
bugsiert und dort mit schweren Andockgreifern festgemacht werden. Was
nicht sorgfältig verankert war, wurde auf Nimmerwiedersehen ins
All geschleudert. Das machte die Arbeit im Dock interessant,
außerdem musste man schwindelfrei sein, aber es gab immer
Interessenten.
Xavier Liu hatte das Schiff, mit dem er jetzt, nachdem seine
Äffchen in Streik getreten waren, allein zurechtkommen musste,
noch nie zuvor gewartet, aber mit dem Basismodell kannte er sich aus.
Es handelte sich um eine Rostgürtel-Fähre, einen
kleinen halbautomatischen Frachttransporter für kurze Flüge
von Habitat zu Habitat. Der Rumpf war eine Skelettkonstruktion, an
die man wie Kugeln an einen Weihnachtsbaum viele Frachtkapseln
hängte. Der Frachter war zwischen dem Swift-Augustine-Zylinder
und einem Karussell verkehrt, das vom ›Korrektursalon‹
kontrolliert wurde, einem zwielichtigen Unternehmen, dessen
Spezialität es war, schönheitschirurgische Maßnahmen
diskret wieder rückgängig zu machen.
Der Frachter hatte Passagiere in maßgefertigten
Einzelkapseln an Bord. Als das Schiff eine technische Störung in
seinem Navigationssystem entdeckte, hatte es das nächste
Karussell ausfindig gemacht, wo Sofortreparaturen durchgeführt
wurden, und den Auftrag ausgeschrieben. Xaviers Firma hatte ein
preisgünstiges Angebot abgegeben, und daraufhin hatte der
Frachter Copenhagen angesteuert. Xavier hatte dafür
gesorgt, dass Robotschlepper bereitstanden, um ihn zu seinem Dock zu
bringen, und nun kletterte er mit Klebepolstern an Schuhsohlen und
Händen auf dem eisig kalten Metallskelett herum. Am Gürtel
seines Raumanzugs hingen mehr oder weniger raffinierte
Spezialwerkzeuge, und um seinen linken Ärmel lag ein
hochmodernes Notepad, von dem er immer wieder eine Leitung abspulte
und in einen Datenport im Rumpf des Frachters steckte, um dann, die
Zungenspitze zwischen den Zähnen, die Werte abzulesen.
Die wie auch immer geartete Störung im Navigationssystem
würde sich sicher relativ leicht beheben lassen. Wenn man den
Fehler erst gefunden hatte, brauchte man gewöhnlich nur ein
Ersatzteil im Magazin zu bestellen; ein Affe hätte es ihm
normalerweise
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