Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
feste Fundament hineingegraben und aus dem
felsigen Kern ein Schwindel erregendes Labyrinth von
öffentlichen Plätzen und belüfteten Wandelhallen
geschaffen. Oder man hatte Bauwerke an der Oberfläche errichtet,
wo sie vom Weltraum aus leichter zugänglich waren,
überkuppelte Miniaturbiome mit niedriger Schwerkraft,
zusammengeklebt wie Froschlaich und von schillernden Grün- und
Blautönen durchzogen. Jetzt zeigten die meisten dieser Kuppeln
Spuren hastiger Reparaturen: Wülste und Spinnennetze aus
Epoxid-Dichtungsmasse oder Diamantschaum. Wo man versäumt hatte,
die Lecks abzudichten, war das Innere schwarz und tot wie nach einem
Großbrand.
    Nicht immer hatten pragmatische Überlegungen die Form
bestimmt. Man sah auch bizarre Spiralen und Schrauben, die an
Nautilusschnecken oder Glaskunstwerke, und endlos aneinandergereihte
Sphären und Röhren, die an organische Moleküle
erinnerten. Manche Habitats waren unentwegt in einem langsamen,
symphonischen Erneuerungsprozess begriffen, hier vollzog sich
Architektur in ihrer reinsten Form. Andere hatten sich über
Jahrhunderte hartnäckig an veraltete Formen geklammert und gegen
jeden neumodischen Firlefanz gewehrt. Einige wenige hüllten sich
in einen Nebel aus pulverisierter Materie und verbargen so ihr wahres
Gesicht.
    Dann waren da noch die Wracks. Einige waren während der
Seuche geräumt worden, ohne anschließend einer
größeren Katastrophe zum Opfer zu fallen, aber die meisten
waren mit Trümmern anderer Habitats kollidiert, die aus der Bahn
geraten oder verbrannt waren. Einige wenige hatte man mit nuklearen
Sprengladungen gezielt zerstört; von ihnen war nicht viel
geblieben. Manche waren in den Jahren des Wiederaufbaus saniert und
wieder in Betrieb genommen worden. Eine ganze Reihe wurden immer noch
von militanten Hausbesetzern bewohnt, die der Ferrisville-Konvent
trotz aller Anstrengungen nicht hatte vertreiben können.
    Das Karussell New Copenhagen hatte die Seuchenjahre besser
überstanden als so manches andere, aber ganz ungeschoren war es
nicht davongekommen. Derzeit bestand es aus einem einzigen dicken,
langsam rotierenden Ring, dessen äußerer Rand, die
Außenfelge, einen Kilometer breit war. Von ferne schien die
ganze Felge von einem Dschungel aus filigranen Bauwerken
überwuchert zu sein, als hätte man ein Industriegebiet
über die Lauffläche eines Rades gelegt. Kam man näher,
dann zerfiel das Bild zu einer Korallenlandschaft aus Portal- und
Drehkränen, Andockbuchten, Wartungstürmen, Parknischen und
dünnen Gitterkonstruktionen, die mit unzähligen flimmernden
Lichtern – Schweißbrennerflammen, Werbeschriften und
blinkenden Landesignalen – ins Vakuum hineinragten. Selbst jetzt
im Krieg wurde die Außenfelge von ankommenden und abfliegenden
Schiffen umschwirrt wie von einem Bienenschwarm. Die Verkehrsregelung
im Umkreis von Copenhagen war ein gewaltiges Problem.
    Früher hatte sich das Rad doppelt so schnell gedreht und an
der Außenfelge Zentrifugalkräfte von ein Ge erzeugt. An
der rotationsfreien Nabe hatten Schiffe im freien Fall angedockt. In
der schlimmsten Phase der Schmelzseuche, als das prächtige Glitzerband zum schäbigen Rostgürtel verkam,
war die Nabe von einem Stück Habitat-Schrott getroffen und
ausgeschlagen worden. Die speichenlose Felge hatte sich allein
weitergedreht.
    Natürlich hatte das Unglück hunderte von Menschenleben
gefordert. Wo die Nabe gewesen war, hatten Rettungsschiffe geparkt
und Flüchtlinge aufgenommen, um sie nach Chasm City zu fliegen.
Die Präzision des Einschlags wirkte zunächst
verdächtig, aber spätere Untersuchungen ergaben, dass es
sich nur um einen besonders unglücklichen Zufallstreffer
gehandelt hatte.
    Immerhin hatte Copenhagen überlebt. Das Karussell war
alt und nicht allzu sehr abhängig von jener Form von
Mikrotechnik, die von der Seuche befallen werden konnte. Für
seine Millionen Bewohner ging das Leben fast so weiter wie bisher. Da
es keine Stellen mehr gab, wo neue Schiffe mühelos andocken
konnten, wäre eine Evakuierung ein mühsames Geschäft
gewesen. Als die Seuche nach Monaten ihren Höhepunkt
überschritten hatte, war Copenhagen immer noch
größtenteils bewohnt. Die Bürger hatten sich selbst
um ihr Karussell gekümmert, anstatt es, wie andernorts
geschehen, der Obhut unzuverlässiger Maschinen anzuvertrauen.
Sie hatten es auf eine Bahn gesteuert, wo es vor weiteren Kollisionen
sicher war, und mit radikalen Maßnahmen jeden Seuchenausbruch
in den eigenen Habitats im Keim

Weitere Kostenlose Bücher