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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zwischen
Werkzeugen und Kabelrollen, hielt sich mit dem Klebepolster auf
seiner Handfläche fest, bis er sicher stand, und vergewisserte
sich mit einem letzten Blick auf den Frachter, dass er kein teures
Werkzeug liegen gelassen hatte. Er hatte alles mitgenommen.
    Xavier öffnete eine Klappe in der ölverschmierten Wand.
Dahinter befanden sich viele Schalter und große fettige
Knöpfe und Hebel, die an Kinderspielzeug erinnerten. Mit einigen
wurden Elektrizität und Beleuchtung gesteuert, mit anderen
Belüftung und Temperatur. Ohne sie eines Blickes zu
würdigen, legte er die Hand auf einen auffallend rot markierten
Griff: den Hebel, mit dem die Andockgreifer gelöst wurden.
    Xavier schaute zum Frachter zurück. Was er vorhatte, war
eigentlich albern. Wenn er sich noch etwas länger, eine Stunde
vielleicht, damit beschäftigte, hätte er gute Chancen, den
Fehler zu finden. Dann könnte der Frachter seinen Weg
fortsetzen, die Firma bräuchte keine Konventionalstrafe zu
bezahlen, und der Absturz in die Insolvenz würde sich
verzögern, wenn auch nur für ein paar Wochen.
    Andererseits arbeitete er womöglich noch fünf Stunden
länger an dem Ding, ohne das Problem lokalisieren zu
können. Dann würde die Konventionalstrafe trotzdem
fällig – nicht mehr als einhundertzwanzigtausend Ferris,
wie ihm der Frachter freundlicherweise mitgeteilt hatte, so als
wäre die Strafe weniger schmerzhaft, wenn man die Obergrenze
kannte – und er könnte erst fünf Stunden später
anfangen, sich um Antoinettes Rettung zu kümmern.
    Es war eigentlich keine Frage.
    Xavier zog den roten Hebel herunter und spürte befriedigt,
wie er mit einem altmodisch mechanischen ›Klonk‹ in seiner
neuen Stellung einrastete. Sofort flammten in der ganzen Bucht
orangerote Warnlampen auf. Eine Sirene schrillte in seinem Helm, und
eine Stimme warnte ihn vor herumfliegenden Metallteilen.
    Die Greifer schnellten zurück wie die Relais eines
Telegrafen. Einen Moment lang schwebte der Frachter wie verzaubert im
Nichts. Dann machte sich die Zentrifugalbeschleunigung bemerkbar, und
das Skelettraumschiff sank so würdevoll und ruhig wie ein
herabstürzender Kronleuchter aus dem Reparaturdock. Xavier sah
ihn nicht in der Ferne verschwinden – er wurde durch die
Rotation des Karussells aus seinem Blickfeld getragen. Natürlich
hätte er auch bis zum nächsten Umlauf warten können,
aber er hatte zu tun.
    Dem Frachter drohte keine Gefahr. Sobald er weit genug von Copenhagen entfernt war, nahm ihn sicher ein anderer
Reparaturspezialist auf, und in ein paar Stunden war er mit seinen
Passagieren und ihren aus der Mode gekommenen chirurgischen
Modifikationen schon wieder auf dem Weg zum Korrektursalon.
    Natürlich würde es trotzdem von allen Seiten
Schadensersatzansprüche hageln: von den Passagieren selbst,
falls sie Wind von der Sache bekamen; von Swift-Augustine, dem
Habitat, das sie geschickt hatte; von dem Unternehmer, dem der
Frachter gehörte; und vielleicht sogar vom Korrektursalon
selbst, weil Xavier seine Kunden in Gefahr gebracht hatte.
    Seinetwegen konnten sie sich alle zum Teufel scheren. Antoinette
hatte sich gemeldet, und das war alles, was zählte.

 
Kapitel 8

     
     
    Clavain schaute in die Sterne.
    Er hatte das Mutternest allein verlassen und stand nun – ob
aufrecht oder mit dem Kopf nach unten, konnte er nicht feststellen
– fast in Schwerelosigkeit auf der Oberfläche des
ausgehöhlten Kometen. Weit und breit war kein menschliches Wesen
zu sehen, und nichts wies darauf hin, dass hier irgendwo Menschen
lebten. Ein flüchtiger Beobachter musste den Eindruck gewinnen,
man hätte Clavain ohne Schiff, ohne Vorräte und ohne ein
Dach über dem Kopf einfach auf dem Felsbrocken ausgesetzt. Das
gewaltige Uhrwerk unter seinen Füßen war gut getarnt.
    Der Komet drehte sich langsam. Immer wieder sah Clavain Epsilon
Eridani wie einen matten Edelstein über den Horizont steigen. Es
war der hellste Fleck am Himmel, aber immer noch nicht so hell, wie
man sich eine Sonne vorstellte. Zwischen sich und dem Stern
spürte Clavain die tödliche Kälte des Weltalls. Die
Entfernung betrug nur 100 AE – ein Katzensprung, verglichen mit
interstellaren Distanzen, dennoch machte ihn der Anblick
frösteln. Wenn er sich mit kosmischen Dimensionen konfrontiert
sah, überfiel ihn immer noch die altbekannte Mischung aus
Ehrfurcht und Schrecken.
    Ein Licht zog seine Aufmerksamkeit auf sich, ein leichtes Flimmern
irgendwo auf der ekliptischen Ebene eine Handbreit vor

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