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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nicht so recht, Xave. Aber die
Nerven, ja, die hatte ich wohl.« Sie grinste. »Verdammt,
was sollte ich denn tun? Mich hinlegen und sterben? Ich hatte einen
verdammt dicken Wolkenhaufen vor mir, der rasend schnell näher
kam, und in dem Moment fand ich es plötzlich gar nicht mehr so
unerträglich, in ein Kollektivbewusstsein integriert zu
werden.«
    »Ich fasse es nicht… obwohl du doch immer wieder diesen
Traum hast?«
    »Ich sagte mir, das ist nur Propaganda. Ganz so
schlimm kann die Wahrheit gar nicht sein.«
    »Aber vielleicht fast so schlimm.«
    »Wenn du dem Tod ins Auge siehst, Xave, dann greifst du nach
jedem Strohhalm.«
    Er richtete die offene Flasche auf sie. »Aber…«
    Sie verstand. »Ja, ich bin noch da. Freut mich, dass du es
bemerkt hast.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie haben mich gerettet.« Sie wiederholte es, als
wäre sie selbst noch nicht völlig davon überzeugt.
»Die Spinnen haben mich gerettet. Sie haben eine Drohne, einen
Schlepper oder etwas Ähnliches zu mir runtergeschickt. Das Ding
hat sich an meinen Rumpf geheftet und mir einen Schubs gegeben –
und der war so kräftig, dass ich aus dem Schwerkraftfeld von
Tangerine Dream hinausgeflogen bin. Als ich wieder zu mir kam,
stürzte ich auf Yellowstone zu. Ich musste zwar erst noch den
Tokamak in Gang bringen, aber wenigstens konnte ich mir dafür
mehr als nur ein paar Minuten Zeit lassen.«
    »Und die Spinnen… sie sind einfach abgezogen?«
    Sie nickte aufgeregt. »Kurz bevor sie die Drohne schickten,
hat der Kopf der Bande, irgend so ein alter Opa, noch mit mir
geredet. Er hat mir ganz schön die Hölle heiß
gemacht. Ich sollte ihm nie wieder – nie wieder – über den Weg laufen, sonst würde er mich töten.
Ich glaube, er hat es ernst gemeint.«
    »Du kannst wahrhaftig von Glück reden. Ich meine, die
Spinnen lassen nicht jeden, der ihnen in die Quere kommt, mit einer
Verwarnung wieder laufen.«
    »Das mag schon sein, Xave.«
    »Der Alte – die Spinne –, ist der irgendwie
bekannt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er hat sich nur als Clavain
vorgestellt. Habe den Namen noch nie gehört.«
    »Aber doch wohl nicht der Clavain?«
    Sie hörte auf, mit dem Bierdeckel zu spielen, und sah ihn an.
»Und wer, bitte schön, ist der Clavain,
Xave?«
    Er sah sie an, als sei sie geistig minderbemittelt oder zumindest
sträflich vergesslich. »Geschichte, Antoinette, du
weißt schon, das langweilige Gefasel über die
Vergangenheit. Was vor der Schmelzseuche war, der ganze
Mist?«
    »Damals war ich noch nicht geboren, Xave. Das ist für
mich nicht mal von akademischem Interesse.« Sie hielt ihre
Flasche gegen das Licht. »Ich brauche noch eine. Was meinst du,
ob wir sie innerhalb der nächsten Stunde kriegen, wenn wir sie
jetzt gleich bestellen?«
    Xavier schnalzte mit den Fingern. Der nächste Servomat drehte
sich um, richtete sich steif auf, machte einen Schritt auf sie zu
– und fiel um.
    * * *
    Doch als sie wieder zu Hause waren, fand Antoinette keine Ruhe. Am
Abend, nachdem die schlimmsten Folgen des reichlichen Biergenusses
abgeklungen waren und ihr Kopf wieder klar, wenn auch noch sehr
empfindlich war, schlüpfte sie in Xaviers Büro, schaltete
das museumsreife Terminal ein und suchte in den Datenspeichern des
Karussells nach Informationen über Clavain. Sie war
tatsächlich erst jetzt neugierig geworden, aber auf dem
Rückflug vom Gasriesen hätte sie ohnehin keinen Zugriff auf
größere systemweite Archive bekommen. Eine Anfrage von der Sturmvogel abzusetzen, wäre zu riskant gewesen, und die
schiffseigene Datenbank war nicht allzu umfangreich.
    Antoinette kannte nur das Leben nach der Schmelzseuche und
rechnete deshalb nicht damit, auf brauchbare Informationen zu
stoßen, auch wenn die Daten, nach denen sie suchte, irgendwann
einmal existiert haben sollten. In den Jahren nach der Seuche hatte
man die Datennetze praktisch aus dem Nichts wieder aufgebaut. Die
Archive von einst waren während der Krise zum großen Teil
zerstört oder gelöscht worden.
    So war sie überrascht, als sie eine ganze Reihe von
Einträgen über Clavain oder jedenfalls über einen Clavain entdeckte. Der berühmte Clavain, von dem Xavier
gesprochen hatte, war im zweiundzwanzigsten Jahrhundert auf der Erde
geboren worden, in einem der letzten richtigen Sommer, bevor sich die
Gletscher über den Planeten schoben und ihn in einen
unbewohnbaren Schneeball verwandelten. Später war er auf den
Mars ausgewandert und hatte dort gegen die erste

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