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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Synthetikerzelle
gekämpft. Antoinette las das noch einmal und runzelte die Stirn: Gegen die Synthetiker?
    Während dieser Zeit auf dem Mars hatte Clavain eine
zweifelhafte Berühmtheit erlangt. Man gab ihm den Beinamen
›Schlächter von Tharsis‹, denn er hatte in der
Schlacht um die Tharsis-Region die Wende herbeigeführt, indem er
veranlasste, dass gegen die Spinnentruppen Roter Merkur, Atom- und
Schaumphasenbomben eingesetzt wurden, die Kilometer breite, wie mit
Glas überzogene Krater in die Marsoberfläche rissen. In
manchen Berichten stempelte ihn dieser Befehl automatisch zum
Kriegsverbrecher, doch Antoinette fand auch objektivere Kommentare,
die zu bedenken gaben, dank Clavains Entscheidung hätten auf
Seiten der Spinnen wie der Verbündeten Millionen von Menschen
überlebt, die bei einem langen Bodenkrieg zwangsläufig
umgekommen wären. Auch wurde immer wieder sein Heldenmut
gerühmt: Clavain hatte eingeschlossene Soldaten und Zivilisten
gerettet; er war selbst mehrfach schwer verwundet worden und nach
seiner Genesung sofort wieder an die Front zurückgekehrt. Als
die Spinnen den Andockturm von Chryse zerstörten, war er
verschüttet worden und hatte achtzehn Tage lang bis auf die
Notrationen in seinem Raumanzug ohne Nahrung und Wasser unter den
Trümmern gelegen. Als man ihn herausholte, hielt er eine Katze
in den Armen, die mit ihm unter dem Schutt begraben war. Ein
Stück Mauer hatte ihr das Rückgrat gebrochen, aber sie
lebte noch. Clavain hatte sie aus seinen eigenen Rationen
miternährt. Die Katze starb eine Woche später. Clavain
brauchte drei Monate, um sich zu erholen.
    Doch auch das war nicht das Ende seiner Karriere. Bald darauf fiel
er in die Hände der Spinnenkönigin, einer Frau namens
Galiana, die den Spinnenklüngel überhaupt erst ins Leben
gerufen hatte. Diese Galiana hatte ihn über Monate gefangen
gehalten. Erst als über den Waffenstillstand verhandelt wurde,
ließ sie ihn frei. Seither waren die ehemaligen Feinde auf
geheimnisvolle Weise unzertrennlich. Als der unsichere Friede zu
bröckeln begann, hatte Clavain es übernommen, die
Spinnenkönigin aufzusuchen, um den Riss zu kitten. Und bei
dieser Mission war er angeblich ›übergelaufen‹. Er
hatte sich den Synthetikern angeschlossen, sie hatten ihm ihre
Umformungsmaschinen in den Schädel gepumpt und ihn zu einem
Mitglied des Spinnenkollektivs gemacht.
    Von diesem Zeitpunkt an war Clavain mehr oder weniger verschollen.
Antoinette überflog die restlichen Einträge und fand
zahlreiche Anekdoten, nach denen er in den folgenden vierhundert
Jahren immer wieder irgendwo aufgetaucht war. Ausgeschlossen war das
nicht, das musste sie zugeben. Clavain war nicht mehr der
Jüngste gewesen, als er zum Überläufer wurde, aber
wenn man die Kälteschlafphasen und die Zeitdilatation auf
längeren Weltraumflügen abzog, hätte er von diesen
vierhundert Jahren nur ein paar Jahrzehnte wirklich gelebt. Und dabei
waren noch nicht einmal die Verjüngungstherapien
berücksichtigt, die es vor der Seuche gegeben hatte. Nein, es könnte dieser Clavain gewesen sein – aber ebenso gut
auch ein Namensvetter von ihm. Wie groß mochte die Chance sein,
dass Antoinette Bax in ihrem Leben einer historischen
Persönlichkeit über den Weg lief? Solche Zufälle gab
es doch einfach nicht.
    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen. Vor dem Büro war es
laut geworden, Gegenstände wurden umgeworfen und über den
Boden geschleift. Xavier protestierte heftig. Antoinette schaltete
das Terminal ab und ging hinaus.
    Was sie dort vorfand, machte sie sprachlos. Xavier hing an einer
Wand, seine Füße schwebten zwei Zentimeter über dem
Boden. In dieser Stellung wurde er – vermutlich ziemlich unsanft
– vom Robotarm einer vielgliedrigen, glänzend schwarzen
Polizeidrohne festgehalten. Die Maschine – sie weckte
Erinnerungen an einen Albtraum von angriffslustigen schwarzen
Riesenkrebsen – war einfach in sein Büro gestürmt und
hatte Schränke und Topfpflanzen umgeworfen.
    Antoinette betrachtete die Drohne genauer. Die Dinger sahen alle
mehr oder weniger gleich aus, aber dieses Exemplar war ihr bekannt.
Es wurde von demselben Piloten gesteuert, der sie schon einmal auf
der Sturmvogel heimgesucht hatte.
    »Scheiße«, sagte Antoinette.
    »Miss Bax.« Die Maschine setzte Xavier nicht gerade
behutsam auf dem Boden ab. Xavier keuchte, rieb sich die schmerzende
Kehle und versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein heiseres, von
Husten unterbrochenes Gestammel heraus.
    »Mr.

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