Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
entgegen
eilten.
    Dann ging die Tür auf und Antoinette stand in voller Montur,
nur mit dem Helm unter dem Arm vor ihm. Das wirre, stumpf
geschnittene Blondhaar klebte ihr verschmutzt und fettig an der
Stirn. Sie war sehr blass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Und
sie roch schon von weitem, als hätte sie seit Wochen keine
Dusche mehr von innen gesehen.
    Doch das störte ihn nicht. Für ihn sah sie immer noch
toll aus. Als er sie an sich zog, prallten sie mit den Brustpanzern
der Raumanzüge gegeneinander. Irgendwie schaffte er es dennoch,
sie zu küssen.
    »Ich bin froh, dass du wieder da bist«, sagte
Xavier.
    »Ich auch«, antwortete Antoinette.
    »Hast du…?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich habe es geschafft.
    Dann sagte er lange nichts mehr, denn er wollte um keinen Preis
bagatellisieren, was sie getan hatte. Er wusste sehr wohl, was es
für sie bedeutete, und dass er ihr den Triumph nicht verderben
durfte. Sie hatte schon genug durchgemacht, und nichts lag ihm
ferner, als ihr noch mehr Schmerz zuzufügen.
    »Ich bin sehr stolz auf dich.«
    »He. Ich bin stolz auf mich. Dann hast du erst recht
allen Grund dazu.«
    »Du kannst dich drauf verlassen. Aber ganz ohne Probleme ist
es offenbar nicht abgegangen?«
    »Sagen wir, ich musste etwas schneller in Tangerines
Atmosphäre abtauchen als geplant.«
    »Zombies?«
    »Zombies und Spinnen.«
    »He, ein Sonderangebot, zwei zum Preis von einem. Du wirst
das wohl nicht ganz so gesehen haben. Wie hast du es überhaupt
geschafft, da wieder rauszukommen, wenn die Spinnen in der Nähe
waren?«
    Sie seufzte. »Das ist eine lange Geschichte, Xave. Ich habe
da draußen um diesen Gasriesen verdammt merkwürdige Dinge
erlebt, und ich weiß immer noch nicht, was ich davon zu halten
habe.«
    »Erzähl mir davon.«
    »Klar doch. Aber erst nach dem Essen.«
    »Essen?«
    »Ja.« Antoinette Bax grinste und zeigte ihre schmutzigen
Zähne. »Ich habe Hunger, Xave. Und Durst. Richtigen Durst.
Hat dich eigentlich schon mal jemand unter den Tisch
getrunken?«
    Xavier Liu überlegte. »Ich glaube nicht, nein.«
    »Dann hast du jetzt gute Chancen.«
    * * *
    Sie zogen sich aus, schliefen miteinander, blieben noch eine
Stunde liegen, duschten und zogen sich an – Antoinette
schlüpfte in ihr bestes pflaumenblaues Jäckchen –,
gingen aus, speisten gut und gossen sich ordentlich einen hinter die
Binde. Antoinette war fast die ganze Zeit strahlender Laune. Der
Liebesakt war ein Genuss; so weit war alles in Ordnung. Es tat auch
gut, sich endlich wieder richtig sauber zu fühlen – nicht
wie nach der Katzenwäsche, mit der sie sich auf dem Schiff hatte
begnügen müssen –, und es war schön, wieder so
etwas wie Schwerkraft zu spüren, auch wenn sie nur
künstlich war und nicht mehr als ein halbes Ge betrug. Nein, die
Schwierigkeit war eine andere. Wo sie auch hinsah, was auch
passierte, sie wurde den Gedanken nicht los, dass das alles nicht von
Dauer sein konnte.
    Die Spinnen würden den Krieg gewinnen. Sie würden das
ganze System in ihre Gewalt bringen, auch den Rostgürtel. Vielleicht würden sie nicht ausnahmslos jeden in ihr
Kollektivbewusstsein integrieren – sie hatten mehr oder weniger
deutlich erklärt, dies läge nicht in ihrem Interesse
–, aber man musste damit rechnen, dass alles anders würde.
Während der letzten kurzen Spinnenbesatzung war das Leben auf
Yellowstone nicht gerade ein Vergnügen gewesen. Und im Moment
sah sie in einem solchen Regime keine Nische, in der die Tochter
eines Raumpiloten mit einem einzigen alten und dazu noch schwer
beschädigten Schiff überleben könnte.
    Zum Teufel damit, dachte sie mit einer Nonchalance, die nicht ganz
echt war, es muss ja nicht gleich heute Abend passieren.
    Sie fuhren mit dem Zug ein Stück die Felge entlang.
Antoinette hatte in der Bar unter Lyles Krater essen wollen, wo es
erstklassiges Bier gab, aber Xavier meinte, dort wäre zu dieser
Tageszeit die Hölle los, sie sollten lieber anderswohin gehen.
Sie fügte sich achselzuckend und war einigermaßen
überrascht, als das Lokal, das Xavier ausgesucht hatte –
eine Bar namens Robotnik auf der anderen Seite der Felge
– fast leer war. Erst als sie ihre Uhr auf Yellowstone-Zeit
umstellte, begriff sie: es war zwei Stunden nach Dreizehn, mitten am
Nachmittag, sozusagen die Friedhofswache im Karussell New Copenhagen. Die wildesten Parties fanden hier statt, wenn in
Chasm City ›Nacht‹ war.
    »Wir hätten bei Lyle ohne weiteres einen Tisch
bekommen«, beklagte sie

Weitere Kostenlose Bücher