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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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räumten
sie zunächst das verwüstete Büro so weit wie
möglich wieder auf. Damit waren sie mehrere Stunden
beschäftigt, wobei die meiste Zeit damit verging, die Papiere zu
ordnen. Xavier hatte immer auf eine korrekte Buchführung
geachtet, auch als die Firma auf den Bankrott zuschlitterte; er
dächte nicht daran, sagte er, dem geldgierigen
Gläubigerpack mehr Munition zu geben, als es ohnehin schon
hätte.
    Gegen Mitternacht sah es wieder halbwegs wohnlich aus. Aber
Antoinette wusste, dass die Schwierigkeiten nicht vorüber waren.
Die Polizeidrohne würde zurückkommen, und beim
nächsten Mal würde sie dafür sorgen, dass sie nicht
von einem Primaten-Rettungsteam gestört wurde. Selbst wenn die
Maschine nie nachweisen könnte, was Antoinette im Kriegsgebiet
getrieben hatte, hätten die Behörden tausend
Möglichkeiten, sie aus dem Geschäft zu drängen. Schon
jetzt könnte die Polizei die Sturmvogel jederzeit
beschlagnahmen. Doch bisher wollte die Drohne – oder vielmehr
der menschliche Pilot, der sie steuerte – nur mit ihr spielen.
Es ging ihr oder ihm darum, zum eigenen Zeitvertreib der jungen
Antoinette Bax das Leben schwer zu machen, solange sonst niemand da
war, den man schikanieren konnte.
    Antoinette überlegte, ob sie Xavier fragen sollte, warum die
Drohne sich so auffallend für die Geschäftspartner ihres
Vaters interessierte, insbesondere für den Fall Lyle Merrick,
beschloss aber dann, sich die ganze Sache zumindest bis zum
nächsten Morgen aus dem Kopf zu schlagen.
    Xavier zog los, um ein paar Flaschen Bier zu holen, und die
leerten sie, während sie die letzten Möbelstücke an
ihren Platz rückten.
    »Es wird sich alles regeln, Antoinette«, sagte er.
    »Bist du dir da ganz sicher?«
    »Du hast es verdient«, sagte er. »Du bist ein guter
Mensch. Du hast nur die Wünsche deines Vaters
respektiert.«
    »Wieso komme ich mir dann vor wie der letzte Idiot?«
    »Dazu hast du keinen Grund«, sagte er und küsste
sie.
    Sie liebten sich noch einmal – so stürmisch, als
wären seit dem letzten Mal Tage vergangen – und dann glitt
Antoinette durch mehrere Schichten zunehmend diffuser Ängste in
tiefen Schlaf. Darauf hatte der demarchistische Propagandatraum nur
gewartet: Sie war wieder auf dem Linienschiff; die Spinnen
überfielen den Liner und nahmen sie mit zu ihrem
Kometenstützpunkt, um sie dort durch einen operativen Eingriff
für die Aufnahme in ihr Kollektivbewusstsein bereit zu
machen.
    Doch diesmal lief es anders. Als die Synthetiker kamen, um ihr den
Schädel zu öffnen und ihre Maschinen darin zu versenken,
beugte sich einer über sie und zog sich die weiße
Chirurgenmaske ab. Darunter kam das Gesicht zum Vorschein, das in den
historischen Abhandlungen und in den neuesten Berichten über
mögliche Begegnungen abgebildet war. Ein weißhaariger,
bärtiger Patriarch mit vielen Falten, traurig und verschmitzt
zugleich, ein Charakterkopf, den sie unter anderen Umständen als
gütig, weise und großväterlich beschrieben
hätte.
    Das Gesicht von Nevil Clavain.
    »Ich hatte Sie doch gewarnt, meinen Weg noch einmal zu
kreuzen«, sagte er.
    * * *
    Clavain folgte den Navigationsanweisungen, die er von Skade
erhalten hatte, und befahl der Korvette in einer Lichtminute
Entfernung vom Mutternest, sich um die eigene Achse zu drehen und die
Bremsphase einzuleiten. Die Sterne wirbelten vorbei wie von einem gut
geölten Uhrwerk gesteuert, Schatten und fahle Lichter strichen
über Clavain und die Liegen mit seinen beiden Begleitern hin.
Die Korvette war der wendigste Schiffstyp in der Planetenflotte der
Synthetiker, aber drei Passagiere in den Rumpf zu pferchen, glich
einer mathematischen Übung in optimalem Packen. Clavain war auf
dem Pilotensitz festgeschnallt und hatte die taktile Steuerung und
die optischen Anzeigen bequem in Reichweite. Das Schiff ließ
sich steuern, ohne dass man auch nur mit den Augen zwinkerte, konnte
aber auch allzu heftige cybernetische Attacken abwehren, die die
neuralen Routinebefehle beeinträchtigt hätten. Clavain flog
ohnehin taktil, hatte allerdings seit Stunden kaum einen Finger
gerührt. Militärische Lageberichte drängten zuhauf in
sein Blickfeld und wetteiferten um seine Aufmerksamkeit, aber bislang
gab es auf sechs Lichtstunden im Umkreis keinen Hinweis auf
Feindaktivitäten.
    Unmittelbar hinter ihm, die Knie auf der Höhe seiner
Schultern, lagen Remontoire und Skade in körperförmigen
Aussparungen zwischen den Innenflächen der Waffenbehälter
und Treibstofftanks.

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