Die Ares Entscheidung
musst zugeben, dass das ein verdammt gutes Ablenkungsmanöver ist.«
Er hatte recht. Omidi konnte überall sein. Er wartete vielleicht irgendwo in der Nähe, bis sein Jet eintraf; genauso gut konnte er aber auch mit einem gemieteten Hubschrauber unterwegs zu einem abgelegenen Flugplatz sein oder in einem Wagen voller iranischer Sicherheitsleute zur Grenze fahren. Ihre Chancen, ihn zu finden, waren im Moment verschwindend gering.
Smith blickte zu dem Mann hinüber, der immer noch mit der Verkäuferin über sein Handy diskutierte, während ein weiterer Sicherheitsmann mit Maschinengewehr vorbeikam und ihn kurz begutachtete. Sich vorzudrängen wäre zwecklos gewesen – er würde so kein bisschen schneller zu seinem Handy kommen, dafür hätten sie die Sicherheitskräfte am Hals. Den Behörden lang und breit zu erklären, dass man den Sudanesen nicht in das Flugzeug einsteigen lassen dürfe, würde höchstens die schwerfällige afrikanische Bürokratie in Gang setzen und sie keinen Schritt weiterbringen.
»Boss?«, drängte Howell.
»Ich gehe gerade unsere Möglichkeiten durch.«
»Wenn wir schnell genug zum Gate kommen, gibt es vielleicht eine Möglichkeit, ihn zu schnappen.«
Smith schüttelte den Kopf. »Das würde sicher nicht ohne
Blutvergießen über die Bühne gehen. Uns würden sie wahrscheinlich erschießen oder festnehmen, und die Gefahr, dass sich jemand bei ihm ansteckt und nach Brüssel fliegt, wäre umso höher. Sind in der Maschine noch Plätze frei?«
»Wahrscheinlich, aber ich fürchte, ich habe meinen Reisepass verlegt.«
Smith zog ihre Pässe aus der Tasche. »Sie waren noch im Handschuhfach. Eins der wenigen Dinge, die Kindersoldaten im Dschungel nicht brauchen können.«
»Dann lassen wir ihn also in ein Flugzeug nach Europa einsteigen?«
»Ich sehe darin eher eine hermetisch abgedichtete Quarantäne mit einem guten internationalen Kommunikationssystem und nur zweihundert gefährdeten Personen.«
Howell zuckte die Achseln; Smiths Argumente überzeugten ihn nicht wirklich. »Okay, es ist deine Party. Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
»Ich auch.« Smith ging zum Schalter von Brussels Airlines.
Kapitel neunundfünfzig
AUSSERHALB VON WASHINGTON D.C., USA
28. November, 02:57 Uhr GMT-5
Padshah Gholam sah auf seine Uhr, doch die Zeiger leuchteten nicht mehr. Nach dem Stand der Sterne musste es schon zwei Uhr vorbei sein, und die Schmerzen in seinem jungen Körper sprachen ebenfalls dafür.
Sein Training für diese Mission hatte fast mit dem Tag seiner Geburt in einem abgelegenen Gebiet von Zentralafghanistan begonnen. Die Berge des Hindukusch waren eine noch kargere Landschaft, doch man fand hier die gleiche durchdringende Kälte, die gleiche überwältigende Einsamkeit. Sein Vater, ein großer und frommer Mann, hatte ihm beigebracht, wie man sich lautlos und unsichtbar in der trostlosen Umgebung bewegte, wie man der Technologie der Amerikaner aus dem Weg ging und ihren Elitetruppen auflauerte, um zu verhindern, dass sie sein Land für das Christentum eroberten.
Als sein Vater starb, gaben die Amerikaner dem jungen Padshah ein Visum, um in Maryland zu studieren, weil sie tatsächlich dachten, er würde die Invasion der Ungläubigen gutheißen. Und er hatte alles ertragen – die arroganten Professoren, die Frauen, die schamlos neben ihm im Hörsaal saßen, die gottlosen Vorlesungen. In Wahrheit hatte er jedoch nur auf den Befehl zum Handeln gewartet. Auf diese Nacht.
Er hob den Arm und zog einen Zweig des Baumes zurück, auf dem er saß und das kleine Farmhaus beobachtete, das
etwa hundert Meter entfernt stand. Es war teilweise vom Laub verdeckt, doch durch eine natürliche Lücke hatte er die Auffahrt und den vereisten Weg zur Haustür im Blick. Gott hatte wieder einmal für alles gesorgt.
Es begann wieder zu schneien, und er musste sich eingestehen, dass diese westliche Jagdkleidung viel besser war als das, was er in seiner Jugend getragen hatte. So viele seiner Feinde waren noch am Leben, weil seine Hand im entscheidenden Moment vor Kälte gezittert hatte. Aber heute Nacht würde ihm das nicht passieren.
Zum ersten Mal seit Stunden sah er Scheinwerfer aufleuchten, und er griff nach seinem Gewehr und beobachtete durch das Zielfernrohr den Wagen, der in die Auffahrt einbog. Die Autotür ging auf und die Innenraumbeleuchtung des Wagens erhellte einen blonden Haarschopf, als die Frau etwas wackelig aus dem Wagen stieg.
Wahrscheinlich betrunken, dachte er. Wer weiß, was
Weitere Kostenlose Bücher