Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Schiffes. Es war die einzige Möglichkeit, den Raum zu lüften. »Wie lange brauchen wir bis Easthaven?« fragt er mit schwacher Stimme.
»Mit gutem Wind ungefähr vier Tage«, sagte Aurian düster. »Wenn uns in der Zwischenzeit niemand die Kehlen durchschneidet.«
Die Magusch führte Sara zu der einzigen Koje und legte sie hinein. »Ruh dich aus«, sagte sie sanft, und Saras Augen schlossen sich wieder.
»Da«, sagte Aurian müde. »Sie schläft jetzt wieder einen natürlichen Schlaf und wird aufwachen, wenn sie ausgeschlafen hat. Die Götter mögen geben, daß es nicht allzubald ist.« Sie zog Coronach aus der Scheide, setzte sich auf den Boden, lehnte sich gegen die Koje und schlief augenblicklich ein, das Schwert in der Hand.
Saras Gejammer riß Aurian rüde aus dem Schlaf. »Ich will nicht hierbleiben, ich will nicht! Es ist schmutzig, und es stinkt, und es ist mit Wanzen verseucht! Ich will nach Hause. Das ist deine Schuld, Anvar. Wenn du nicht …«
Die Magusch sprang auf die Füße und baute sich vor dem wütenden Mädchen auf, das mit fest um die Knöchel gezogenem Rock auf der Koje saß. »Sei still!« befahl sie scharf. Sara verstummt mitten in ihrer Tirade und starrte zu ihr hinauf. Aurian bemerkte die schwankende Bewegung des Schiffes unter ihren Füßen und beugte sich, ohne Sara weiter zu beachten, an ihr vorbei, um aus dem winzigen Heckfenster zu schauen. »Da hinten, da liegt das Land«, sagte wie ruhig und deutete aus dem Fenster. »Ich schlage vor, du schwimmst sofort los, bevor wir uns noch weiter davon entfernt haben. Ich glaube nicht, daß du hier durchs Fenster paßt, aber ich bin sicher, daß wir es arrangieren können, dich über Bord werfen zu lassen.«
Sara verzog vor Wut das Gesicht. »Ich hasse dich!« stieß sie hervor.
»Und wenn schon«, sagte Aurian gleichmütig. »Das interessiert mich nicht. Aber mach dir klar, daß du kein Zuhause mehr hast. Dieses stinkende, lausige Loch ist alles, was du hast, und genau hier wirst du bleiben, bis wir Easthaven erreicht haben.«
Sara fiel der Unterkiefer herab. »Du meinst, ich bin eine Gefangene?« kreischte sie. »Das kannst du nicht machen! Wie kannst du es wagen! Wenn Vannor davon hört …«
»Vannor hat dich mir mitgegeben, zu deinem eigenen Schutz. Ich bin für deine Sicherheit verantwortlich, und ich sage dir, daß du diese Kabine auf gar keinen Fall verlassen wirst. Wenn irgend jemand an die Tür kommt, dann verschwinde in der Koje und versteck dich unter deiner Decke – vor allem dein Gesicht. Was immer auch geschieht, du darfst dich keinesfalls irgend jemandem von der Mannschaft zeigen. Ich habe dem Kapitän gesagt, daß du Pocken hättest. Das sollte sie davon abhalten …«
»Was?« schrie Sara völlig außer sich.
»Herrin«, protestierte Anvar, »es ist nicht fair …«
»Habt ihr beide jemals eine junge Frau gesehen, die von einer ganzen Piratenbande vergewaltigt worden ist?« Aurians nüchterner Ton ließ die beiden anderen verstummen. Saras Blick wurde plötzlich ängstlich. »Ich habe es nicht«, fuhr Aurian fort, »und ich will es auch jetzt nicht sehen. Die Mannschaft dieses Schiffes ist die niederträchtigste, gemeinste Bande von Strolchen, die ich jemals zu Gesicht bekommen habe, und wenn sie auch nur einen Blick von dir erhaschen, dann werde weder ich noch Anvar sie aufhalten können. Ich weiß, daß es hart für dich ist, Sara. Anvar hat recht, es ist nicht fair, und es tut mir leid. Aber mach es so, wie ich es sage, bitte – um unser aller willen.«
Sara starrte sie einen Augenblick lang an, ließ sich dann vornüber auf die Koje fallen und brach in Tränen aus. Anvar beeilte sich, sie zu trösten. Aurian blickte ihn erstaunt an, wandte sich dann mit einem Schulterzucken ab und verließ die Kabine.
Die Magusch setzte sich, ein Bein untergeschlagen, auf die schmale Bank, die sich im Bug des Schiffes an der Reling entlangzog. Die Mannschaft schien einen großen Bogen um sie zu machen, obwohl sie oft die Blicke der Männer spürte, während sie zusah, wie eine bleiche Sonne sich langsam auf den dämmrigen Horizont zu ihrer Rechten herabsenkte. Sie dachte über die zurückliegende Nacht nach und versuchte, so gut sie konnte, die Tatsachen von dem Schleier von Ärger, Trauer und Furcht abzusondern, der ihre Erinnerung an das, was geschehen war, überschattete. Das Kind – das war das eine. Forschend richtete Aurian ihre Gedanken auf sich selbst, nach innen, um diesen schwachen Funken von Leben zart zu
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