Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
sich in einer Entfernung von einem Bogenschuß von der Küste entfernt, wo das Wasser noch tief genug war, um seine gewaltige Körpermasse aufzunehmen. Aurian drehte sich zu Anvar um. »Hier ist für dich die Reise zu Ende«, sagte sie knapp. »Er sagt, daß seine Schwester Sara hier abgesetzt hat; sie muß also irgendwo in der Nähe sein.«
Anvar blickte sie verblüfft an. »Du kannst also wirklich mit diesem Ding sprechen, hm?« sagte er.
»Ding? Er ist ein Freund, Anvar, und ich ziehe die Unterhaltung mit ihm der mit dir über alle Maßen vor. Du kannst also gehen.« Aurian schob die Kinnlade vor und wandte ihren Blick von Anvars verletzter Miene ab. Es ist ein wenig spät, sich jetzt verletzt zu zeigen, dachte sie grimmig.
Anvar blickte auf das Wasser hinab, das hier in der geschützten Bucht kristallklar war. Seinem Blick folgend, sah Aurian eine Myriade bunt leuchtender Fische durch das Lapislazuliblau der Tiefe dahinschießen.
»Aurian, es ist zu tief hier! Ich kann nicht …«
Die Magusch sah die Panik in Anvars Augen, und dann begriff sie; er konnte ja nicht schwimmen. Sie konnte sich noch recht gut erinnern, welche Ängste sie in der letzten Nacht ausgestanden hatte, als das Wasser in ihre gequälten Lungen geströmt war, und schauderte. Anvar zitterte, und es gelang ihr nicht, ein Gefühl des Mitleids für ihn zu unterdrücken. »In Ordnung«, seufzte sie. »Ich werde dir helfen. Ich werde vorangehen …«
Und schon rutschte sie von dem gerundeten Rücken des Wales hinunter ins Wasser. Nach der lähmenden Kälte des Meeres in den nördlichen Breiten war die Wärme des Wassers in der Bucht ein angenehmer Schock.
Nach einer kurzen Besprechung mit dem Wal wandte sie sich wieder Anvar zu. »Du mußt jetzt hier herunterrutschen. Seine Fluke ist genau …«
»Seine was?«
»Seine Flosse, wenn dir das lieber ist. Sie ist hier direkt unter der Wasseroberfläche, so daß du darauf stehen kannst. Du wirst also nicht untergehen.«
Zögernd biß sich Anvar auf die Lippen.
»Mach schon – er sagt, daß es ihm nichts ausmacht«, drängte Aurian.
»Das kann ja sein, aber mir macht es etwas aus«, brachte Anvar murmelnd zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Sieh mal, es ist vollkommen sicher. Ich passe auf, daß dein Kopf nicht unter Wasser kommt, das verspreche ich. Vertrau mir doch wenigstens ein einziges Mal.« Vergeblich versuchte sie, ihrer Stimme die Schärfe zu nehmen.
Schließlich schaffte sie es, ihn zu überreden, auf die Fluke herunterzukommen, die der geduldige Wal immer noch stillhielt. Dort stand Anvar, das Wasser bis zum Kinn.
Dank sei den Göttern, daß er groß ist, dachte Aurian, während sie zu ihm hinüberschwamm. »Umklammere mich nicht«, warnte sie ihn, als sie merkte, was er vorhatte. Sie richtete sich auf und stellte sich neben ihn auf die Fluke, und dann erkannte sie sein Problem. Es war schwierig, in dem gut tragenden, salzhaltigen Wasser aufrecht zu stehen. Der Körper wollte sich neigen und auf der Oberfläche treiben.
Aurian legte eine Hand auf Anvars Hinterkopf.
»Was hast du vor?« keuchte er.
»Ich halte deinen Kopf über Wasser. Du brauchst nicht mehr zu tun, als tief einzuatmen und dich zurückzulegen – entspann dich einfach, und schon werden deine Füße von allein aufschwimmen. Du wirst auf dem Wasser treiben, das verspreche ich dir, und du wirst nicht untergehen. Und ich werde dich die ganze Zeit über festhalten.«
Nach einer Weile meinte Anvar, genügend Mut zusammengerafft zu haben, um ihrem Vorschlag zu folgen. Aber als er in das Wasser tauchte, geriet er sofort in Panik, und in einem einzigen wilden Aufplatschen von Wasser und Schaum zappelte er, schlug um sich und versuchte, sich an ihr festzuklammern. Sie mußte einmal untertauchen, um ihn davon abzuhalten, allzuviel Wasser zu schlucken, und hatte ihn schließlich wieder richtig herum auf der Fluke. Als sie sich den schwer herabhängenden Vorhang nasser Haare aus dem Gesicht strich, stand sie einem Anvar gegenüber, der sie empört aus roten, vor Salz brennenden Augen ansah. »Du hast doch gesagt, ich würde treiben!«
»Ich habe gesagt, du sollst dich entspannen, du Dummkopf, und dann würdest du treiben!«
»Ich kann mich nicht entspannen. Ich habe Angst!« Es dauerte noch eine ganze Weile, aber schließlich funktionierte es. Anvar lag auf dem Rücken, und ein erstauntes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Anvar, vergiß nicht zu atmen!«
Wieder Gezappel. Aber schließlich
Weitere Kostenlose Bücher