Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
vorsichtige Hand sich fast ganz um ihre schlanken, schimmernden Körper geschlossen hatte, und ließen den verzweifelten Jäger mit einer Handvoll Meerwasser zurück.
Anvar stand bis zur Hüfte im Meer und wurde immer gereizter. Warum hielten die verdammten Dinger nicht still? Seine schmerzenden Augen mochten nicht länger in das blendende Wasser starren, und die Sonne brannte gnadenlos auf seinen ungeschützten Kopf und Rücken nieder. Er schien es nun schon seit Stunden zu versuchen. Und dabei konnte er den Eindruck nicht loswerden, daß die Fische sich über seine unbeholfenen Versuche lustig machten. Als er seine Hände aus dem Wasser zog, war die Haut seiner Finger bereits weiß und runzlig.
»Anvar? Anvar!« Saras Stimme schallte vom Strand herüber. Was wollte sie? Er war sich undeutlich bewußt, daß sie ihn schon einige Zeit rief. Er drehte sich um und sah sie dort stehen, lachend, einen Beutel in der Hand, den sie aus einem weißen Stück Leinen gemacht hatte, der aus einem ihrer Unterröcke stammte. Er war prall gefüllt und wand sich unter ihrem Griff. »Schau mal! Ich habe einen gefangen!«
Einen Sekundenbruchteil hätte er sie mit Wonne erwürgen mögen. Dann begriff er langsam die Bedeutung ihrer Worte, und Erstaunen und Erleichterung erfüllten ihn. So schnell, wie es im hüfthohen Wasser möglich war, watete er zurück zu ihr an den Strand. »Wie um alles in der Welt hast du das geschafft?« fragte er und versuchte, dabei nicht so empört zu klingen, wie er war.
Sara ließ das zappelnde Bündel auf den Sand fallen und legte ihre Arme um seinen sonnenverbrannten Hals, so daß er aufjaulte. »Ganz einfach«, grinste sie. »Bist du nicht stolz auf mich?«
»Natürlich!« gab er kurz zurück und starrte sie an. Jetzt lenkte Sara ein.
»Hast du es nicht gemerkt?« sagte sie. »Es ist Ebbe, das Wasser geht zurück.« Sie deutete auf ein Riff, das jetzt über die Wasseroberfläche emporragte und wie ein Finger zum Meer hin zeigte. »Da drüben gibt es jede Menge Fisch, der in den Aushöhlungen der Felsen festsitzt.«
»Ebbe?« Anvar kam sich dumm vor. Er wußte zwar, daß es Gezeiten gab, hatte aber – als mittelloser Städter geboren und dann versklavt – natürlich ihre Bedeutung nie verstanden.
Sara begriff sofort, was los war. »Oh«, sagte sie, »du warst vorher nie an der See, oder?«
»Wie sollte ich wohl?« fragte Anvar. »Weißt du, die Magusch pflegen ihren Dienern keine Ferien an der See zu finanzieren. Aber woher weißt du soviel darüber?«
Sara wandte ihren Blick für einen Moment ab. »Vannor hat mich jeden Sommer mitgenommen.« Als sie Anvars Gesichtsausdruck sah, wechselte sie schleunigst das Thema. Sie konnte es sich nicht leisten, ihn vor den Kopf zu stoßen. »Jedenfalls«, fügte sie strahlend hinzu, »bin ich ohnehin nutzlos. Ich mag zwar einen Fisch gefangen haben – das ist halt so passiert –, aber ich kann ihn nicht töten. Und was die Zubereitung angeht, nun, dabei wird mir speiübel.«
Sie hatte offensichtlich das Richtige gesagt, denn Anvar lächelte wieder. »Das werde ich übernehmen. Das habe ich in der Küche an der Akademie gelernt.«
Sara überlief es kalt. Sie wünschte sich, er würde sie nicht ständig daran erinnern, daß er ein leibeigener gewesen war. Als Vannors Ehefrau hatte sie sich daran gewöhnt, Diener zur Hand zu haben, und sie hatte aufgehört, sie als Menschen wahrzunehmen. Sie waren einfach, nun ja, da – höflich, anonym und immer zur Verfügung. Irgendwie gab es ihr das Gefühl von Unsauberkeit, nun mit einem von ihnen zu schlafen. Nur um ihrer Ziele willen konnte sie sich damit abfinden.
Sie wandte sich wieder Anvar zu und bedachte ihn mit ihrem strahlendsten Lächeln, das bei Vannor immer seinen Zweck erfüllt hatte. »Es ist eine gute Sache, daß wenigstens einer von uns praktisch veranlagt ist«, sagte sie. »Ich fürchte, ich bin ein hoffnungsloser Fall. Weißt du, wie man Feuer macht?«
Vor seinem unglücklich verlaufenen Versuch, Fische zu fangen, hatte Anvar seinen Zunder und seinen Feuerstein mit seinem abgelegten Hemd (das mit dem Hemd bereute er bereits zutiefst, da der Sonnenbrand inzwischen seine Wirkung entfaltete) zum Trocknen auf einem glutheißen Felsblock zurückgelassen. Zwischen dem Waldrand und der Hochwassermarke gab es viel Holz, und bald hatte Anvar ein munteres Feuer in Gang gebracht. Mit Aurians Dolch nahm er den Fisch aus und fühlte sich dabei wieder schuldig, denn er wußte, daß sie ihm die Waffe für
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